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Wir, meine Frau Veronika und ich, leben zurzeit in Siebenbürgen, genauer gesagt in Hermannstadt. Siebenbürgen liegt in Rumänien, eine Landschaft von beeindruckender Schönheit und auch eine Landschaft, in der seit Jahrhunderten Deutsche gesiedelt haben. Vor nahezu 850 Jahren sind die Siebenbürger Sachsen aus der Gegend um das heutige Luxemburg nach Siebenbürgen gesiedelt! Eine sehr lange Tradition und auch Stolz auf die Vergangenheit ist ebenso in Siebenbürgen beheimatet wie auch Traurigkeit und Sehnsucht nach den vergangenen Zeiten.
Die Sehnsucht nach der Vergangenheit spürt man in jedem Gespräch mit einem Siebenbürger Sachsen oder auch mit einem Landler, die ebenfalls in Siebenbürgen lebten und noch leben. Die Landler sind eine Siedlergruppe, die aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit, sie sind Protestanten, in Zeiten von Maria Theresia ihre österreichische Heimat verlassen mussten, also vor etwa 300 Jahren. Sie leben in den Dörfern Großau, Großpold und Neppendorf, alle nicht weit von Hermannstadt entfernt.
Meiner Frau und mir sind einige Sachsen und Landler bekannt und so begab es sich, dass wir auf Spurensuche in Siebenbürgen gegangen sind. Genauer gesagt auf die Spur von Frau Glatz, die leider 2014 im Hermannstädter Dr. Carl Wolff-Altenheim verstorben ist. Meine Frau hatte sie seit 2006 immer wieder besucht und eine gute Bekanntschaft gepflegt. Es hat nahe gelegen, ihre letzte Ruhestätte auf dem Friedhof in ihrem Heimatdorf Großpold zu besuchen.
Der Friedhof ist ja immer auch eine Informationsbörse und genau so war das auch in Großpold. Wir haben drei Frauen dort angetroffen und sind sofort mit ihnen ins Gespräch gekommen. Wo kommt man her, was sucht man und natürlich: wo liegt Frau Glatz begraben? Es entwickelte sich ein sehr anregendes Gespräch über das frühere und auch jetzige Leben in Großpold. Zwei Damen waren aus Ludwigsburg in ihre alte Heimat gereist, die andere war eine sogenannte „Dagebliebene".
Die Damen aus Ludwigsburg, die ihre Heimat besuchten, sagten mir auf die Frage, warum sie denn alle von diesem schönen Platz weggegangen sind und ob sie sich in Ludwigsburg zu Hause fühlen, Folgendes: „Man kann zwar seine Heimat verlassen, aber man kann die Heimat nicht aus seinem Herzen vertreiben“! Eine uns sehr beeindruckende Erkenntnis. „Ja aber warum haben sie denn ihre Heimat verlassen?" fragte ich, die Antwort hatte ich schon oft gehört und konnte nicht überrascht sein, aber es überrascht mich immer wieder: „Weil wir nicht alleine hier bleiben wollten“, antworteten beide Damen im Gleichklang!
Die in Großpold lebende Frau Roth hörte zu und sagte anschliessen: „Einer musste ja da bleiben und sich kümmern um die Gräber". Sie antwortete nicht weiter auf die Frage, warum sie noch in Großpold lebt, aber sie strahlte Zufriedenheit aus.
Nachdem die beiden Frauen aus Ludwigsburg, die ihre Heimat noch im Herzen bei sich tragen und das schwer, gegangen waren, hat Frau Roth uns auf dem Friedhof herumgeführt und wir konnten erfahren, wie schwer das Leben in Großpold für sie ist. Die Post, mit der die Hermannstädter Zeitung und die Allgemeine deutsche Zeitung für Rumänien geliefert werden sollten, kommt nicht regelmäßig, die neuen Nachbarn in Großpold, mehrheitlich Roma, haben auch ihre eigenen Traditionen, naja und die letzten Bekannten sterben so langsam weg. Sie aber werde bleiben, weiter die Gräber pflegen, weil sie sich wohlfühlt hier in Großpold!
In keiner Sekunde unseres Gespräches hatten wir das Gefühl, dass Frau Roth unglücklich ist, nein, das Gegenteil konnte man fühlen und auch hören, sie ist glücklich trotz aller Schwierigkeiten, die zugegebenermaßen ein Leben als eine der letzten Landlerinnen in Großpold mit sich bringt. Den gleichen Eindruck hatten wir nicht von den sehr früh wieder gegangenen Landlerinnen, die ihre Heimat verlassen hatten und jetzt Heimat im Herzen tragen, die so gar nichts mit der Heimat von Frau Maria Roth zu tun hat!
Heimat ist da, wo man glücklich ist und man sollte sich gut überlegen, ob der Preis, den man eventuell bezahlen muss, verlässt man seine Heimat, trotz aller Integrationsbemühungen, nicht doch zu hoch ist!
Wir bedanken uns bei Frau Roth für die lehrreiche Zeit auf dem Friedhof von Grosspold.
Lothar SCHELENZ
Nidda/Deutschland
Ansicht vom Großpolder evangelischen Friedhof.
Foto: der Verfasser