Das Mittelalter? „Eine Art Lebensform”

Teile diesen Artikel

Ausgabe Nr. 2446
 

Streiflichter vom 15. Mittelalterfestival auf dem Großen Ring in Hermannstadt

 

Ritter und Hofdamen, uralte Tänze und Musik vermischt mit modernen Rhythmen, alles im Takte des fleißigen Klopfens der Wandergesellen, untermalt vom Gebrüll wütender Anführer und laut rufender Händler, die bemüht sind, ihre Ware zu verkaufen, verziert von klirrenden Schwertern und bekräftigt vom Kanonendonner – das alles war am vergangenen Wochenende in Hermannstadt zu sehen und zu hören.

„Das Mittelalter ist ein Zeitalter, das aus heutigem Gesichtspunkt kaum verstanden werden kann”, sagte Prof. Dr. Zeno-Karl Pinter. Vergangenes Wochenende fand nämlich erneut das Mittelalterfestival „Cetăţi Transilvane" statt.

Täglich wärend der drei Tage hatten die Besucher die Möglichkeit, sich in die Geschichte des Rittertums und vor allem des mittelalterlichen Hermannstadts von Pinter einführen zu lassen, der als Wissenschaftler von allem Bescheid wusste. Von den Anfängen des Rittertums, als der fränkische Karl Martell erstmals Panzerreiter im Kampf gegen die Araber aufstellte bis hin zu späteren siebenbürgischen Ereignissen, als die Siebenbürger Sachsen Rechte und Pflichten durch den Goldenen Freibrief erhielten, wurden alle möglichen Themen aufgegriffen. Falls z. B. der König innerhalb des Landes Krieg führte, mussten sie 500 schwer bewafnete Krieger stellen. Von der Vertreibung des Deutschen Ritterodens bis hin zu Türkeneinfällen und anderen Schlachten, wo sich die Hermannstädter mehr oder weniger hervortaten bis hin zur Drangsalierung der Stadtbewohner u. a durch Fürst Gabriel Báthory war alles Mögliche einmal hier passiert. Und Liebestragödien wie in Shakespeares „Romeo und Julia" scheinen sich nicht nur in Verona sondern auch in Hermannstadt ereignet zu haben, denn die schöne Johanna Balk beging Selbstmord, als Báthory sie zu sich rufen lässt.

Nun, die Regeln des Mittelalters scheinen tatsächlich für heutige Verhältnisse schwer begreifbar zu sein, aber einige von den  mittelalterlichen Manieren dürften die Besucher doch mitgenommen haben.

Auffällig waren einige Janitscharen, die auf dem Großen Ring umherirrten. Sie hatten ihr Zelt genau gegenüber dem Zelt von friedlich wirkenden mittelalterlich gekleideten Bürgern aufgestellt. Es waren die Mitglieder vom Verein „Terra Ultrasilvania" aus Kronstadt. Ab und zu veranstalteten sie kleine Spielchen für die Anwesenden oder man kämpfte in Schutzanzügen hinter den Zelten. Die Kampfsportart nannten sie kurz „HEMA”, was der englischen Abkürzung von  „historische europäische Kampfkünste" entspricht. Zu den Tätigkeiten innerhalb des Vereins gehören aber auch das Schießen mit Pfeil und Bogen. Zum selben Verein gehören auch die Bogenschützen und Bogenbauer Dumitru Rotariu und Marius Adumitroaiei. Rotariu war 2010, 2012 und 2013 rumänischer Landesmeister, gewann zahlreiche Wettkämpfe und ist nun der Bogenexperte im Verein. Er präsentierte mehrere Schiessbogen, darunter einen Langbogen und mehrere Kurzbogen. Sein größter Stolz sei nun, dass er es geschafft hat, als erster in Rumänien den Dakerbogen nachzubauen, sowohl mit modernen als auch mit traditionellen Materialien. Die Darstellungen auf der Trajanssäule, die unter seinen Branchenkollegen nur als Phantasiedarstellungen gegolten haben, ließ er extra dafür fotografieren.

Freitagabend herrschte in der Heltauergasse wieder märchenhafte Stimmung. Prinzen, Prinzesinnen, Ritter, Hofdamen, Bauern, Drachen, Riesen und Hofnarren versammelten sich in der Harteneckgasse und zogen dann durch die Heltauergasse Richtung Großer Ring. Von Zeit zu Zeit wurde angehalten und dann kam die Stunde der Feuerspucker.

„Für uns ist das mehr als ein Hobby”, sagte Márton Károly, vom Verein „Crux Alba" aus  Hajdúszoboszló. „Es ist eine Art Lebensform. Das mittelalterliche Leben kann man vor allem im Sommer ausleben, wobei man an Festivals teilnimmt. Im Winter recherchieren die Mitglieder des Vereins nach nützlichen Informationen betreffend das Mittelalter. Die Mitglieder des Vereins „Crux Alba" versuchen vor allem das Zeitalter des Königs Matthias Corvinus zu rekonstruieren. Da waren ein Kampfwagen, Kanonen und mehrere verschiedenartige Schusswaffen, die sie Samstagabend auch alle donnern ließen. Falls einer der zahlreichen Besucher des Mittelalterfestivals sich je gewünscht hatte, im Mittelalter gelebt zu haben, zog er jetzt den Kopf ein, hielt sich die Ohren zu und war etwas nachdenklich geworden. Vor allem als die Kanonen donnerten, hatte man den Eindruck, eine richtige Explosion zu erleben.

Nicht zu verkennen war auf den Schildern einiger Ritter das Wappen von Odorhellen. Die Ritter vom Verein „Arany Griff Rend" gibt es seit 2012 und sie nahmen nun zum ersten Mal in Hermannstadt am Mittelalterfestival teil. Eine Besonderheit der Ritter aus dem Szeklerland war,  dass nicht alle ein Kettenhemd sondern einige Lederschuppenpanzer trugen. Angeblich hätten sich nur die Reichen im Mittelalter ein Kettenhemd und ähnliche Ausrüstungen leisten können. Anwesend waren wieder auch die Ritter vom Verein "Chigot" aus Bulgarien aber auch die Mediascher Paladine der „Terra Miedies” und „Anacronism”. Die Wandergesellen stellten auch dieses Jahr ihr Können zur Schau.

Jeden Abend gab es Konzerte, u. a. mit Bordó Sárkány (Ungarn), Obscurus Orbis (Lettland) oder als Premiere in Hermannstadt Lupus Dacus und Lupus Dacus Orchestra. Selbstverständlich fehlten die pyrotechnischen Darbietungen an keinem Abend.

                                   Werner FINK

 

 

Feuer und Wasser: Überraschende Bilder boten die Feuerkünstler der Hermannstädter Crispus"-Gruppe, die ein fester Bestandteil des Festivals sind als sie ihre Feuerkünste zwischen den aufsteigenden Wasserstrahlen der Fontäne am Großen Ring darboten. Das Zusammenspiel von Feuer und Wasser zeigte seine Wirkung bei den Zuschauern.      Foto: Werner FINK

 


 

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Gesellschaft.