Ausgabe Nr. 2431
(Fortsetzung des Beitrags aus der HZ-Ausgabe Nr. 2430/15. Mai 2015)
Aus der Zwischenkriegszeit haben sich einige mit Reisen verbundene motivische und technische Experimente erhalten, die den Anschluss an das Kunstgeschehen aus der weiten Welt illustrieren. Hier ist die Herausforderung des Wassers als Motiv und als Darstellungsweise ein gemeinsamer Nenner. Ein Berlin-Aufenthalt 1930/31 zeitigte Experimente motivischer und formaler Art, darin die Darstellung von Wesenhaftem – von Materialität reflektiert wird (Stillleben mit Hering, 1931).
Auch das fascinosum des Lichts veranlasst eine motivische Auseinandersetzung, die sekundär auch eine formale ist. Mehrere Arbeiten thematisieren und reflektieren das Wesen des Lichts, – das tellurische (Brennende Sonde von Moreni, 1929), oder das verwandelnde (Glasbläser, 1924), oder seine spirituelle Qualität (Aus Schäßburg, 1919, Winter auf dem Valare, 1929). Ein undatiertes – vom Ausdruck der Gestalten zu schließen – frühes Werk, „Leuchter,“ lässt gleich mehrere Themen anklingen: Die drei Gestalten um den geschmückten traditionellen Baumleuchter veranschaulichen zugleich die Lebensalter, ein Motiv, das die menschliche Existenz geistlich reflektiert; die Kirchentracht und der „Lichtert“ verorten das Geschehen im siebenbürgischen Kirchenraum, und dabei erfüllt der Lichtert die geistliche Symbolik, insgesamt selbstleuchtend. Die Lichtregie folgt darin einer „Erfindung“ des Manierismus, da ein „selbstleuchtendes“ Jesuskind zur Lichtmitte des Weihnachtsgeschehens wird. Damit bekommt dieses heimatliche Weihnachtsmotiv bei aller Traditionsbeflissenheit auch einen eschatologischen Bezug, nämlich jenen zum Himmlischen Jerusalem, darin Christus selbst Mitte und Lichtquelle ist (Offb. 21, 22f).
Während der Lebensepoche des Künstlers war das Paradigma des Nationalen allgegenwärtig. Angesichts der Geschichtsereignisse, zumal jener der Nachkriegszeit, ist die spätere Sublimierung entsprechender Themen und der Vorzug für die Landschaft und die städtische Kulisse nachvollziehbar, ja selbstverständlich.
Zu den durchgehenden Themen des Künstlers gehörten auch Szenen als dem Alltag, Menschen bei der Arbeit. Damit tangierte er auch den sozialistischen Realismus, ohne darin zu verweilen.
Die formalen Fragestellungen aus den frühen Jahren treten später in den Hintergrund. Trotz des hohen technischen Vermögens ist die Malerei von Hans Hermann deutlich motivorientiert. Die Motivorientiertheit ist auch ein Merkmal von Heimatkunst. Letztere lebt vor allem vom Wiedererkennungseffekt und orientiert sich an der Nachfrage des Umfelds. In Ermanglung eines Mäzenats und großer Aufträge entsteht vor allem Porträtkunst und Landschaftsmalerei. Doch wird die künstlerische Kreativität diese Einschränkung für Bilderfindungen nutzen, die motivisch wie formal auf Ausdruckstiefe setzen. So erinnert die in Festtracht inszenierte Milchfrau von Neppendorf den Betrachter daran, dass der Mensch zum Bilde Gottes geschaffen wurde.
Im Vergleich zur Graphik werden in der Malerei die Motive mit höherer Beteiligung der Sinne umgesetzt. Die Malerei eignet sich hervorragend für das Landschaftsbild, welches als relativ junges Genre große Beliebtheit erreicht hat. In der Malerei hatte die Landschaft lange Zeit keine Daseinsberechtigung als eigenständige Kunstgattung, sie war Kulisse und Kontext einer bedeutungsgeladenen Bildaussage. Wenn es nun weltanschaulicher Veränderungen bedurfte, dass die Landschaft an sich als darstellungswürdig erachtet wird, so stammt doch noch aus älterer Zeit ein mit der Bildtradition vermitteltes Regelwerk, durch das sich Landschaft in der Kunst genauer auslegen lässt. Nicht erst seit Caspar David Friedrich kann die Landschaftsmalerei mehr als spiegeln, Stimmungen transportieren und Eindrücke vermitteln. So kann dieses Genre auch Botschaften tragen, die sich zumindest in ihrem kulturhistorischen Kontext mit existenziellem Bezug lesen lassen.
Es ist sicher zu weit gegriffen, wenn man allen Landschaftsmotiven des Künstlers die Absicht einer doppelten Aussage unterstellen wollte; jedoch will es scheinen, dass manch eine Bildjahreszeit auch Existenzielles anspricht. Wiederkehrende Motive – monumentale Berge, neblige Ferne, sonnenbeschienene Bildmitte, Gebirgssee, roter Baum – dürften darin auch als Metaphern fungieren. Solitäre Bäume, Baumindividuen, werden zu Identifikationsfiguren. Auch die vielen Winterlandschaften sind für dieses Deutungsangebot offen.
Untersucht man das Gesamtwerk im Hinblick auf die Höhe der Horizontlinie – die Proportion von Erde und Himmel, als Charakteristik der Landschaftsmalerei – dann wird man feststellen, dass im Wandel der Zeit „der Himmel zulegt.“ Noch in der Romantik ist der Bereich des Himmels im Bild geistlich konnotiert, und die späteren Kunstepochen wissen auch noch darum. Eine solche Konnotation kann für das Gesamtwerk von Hans Hermann wohl nicht geltend gemacht werden, jedoch dürfte sie auf die Arbeiten seines letzten Lebensabschnitts zutreffen. Der Titel seines letzten vollendeten Werks (Mein Abendrot, 25. Jan. 1980) wird dabei zum Schlüssel.
Hans Hermann starb am 13. Februar 1980. Er hinterlässt ein umfangreiches, technisch wie thematisch vielfältiges Oeuvre, dessen Koordinaten in diesem Landstrich liegen.
Heidrun KÖNIG
Hans Hermann: Stolzenburg. Öl auf Holz, 1945.
Reproduktion: Stefan JAMMER