Ausgabe Nr. 2429
120 Jahre seit der Eröffnung des Naturwissenschaftlichen Museums
Am 12. Mai 1895 hatten sich in der Harteneckgasse nahe dem Theater zahlreiche Gäste zu einem für die gesamte Stadt bedeutenden Ereignis versammelt. Mit Neugierde und Erwartung hatte man den Bau des neuen Naturwissenschaftlichen Vereinsmuseums an der Stadtmauer im Laufe mehrerer Monate wachsen sehen, das sich schließlich als ein repräsentatives, im neoklassizistischen Stil errichtetes Gebäude darstellte. Nach einer relativ kurzen Bauzeit war es nun soweit, dass die Sammlungen des Vereins nach dem Wechsel unterschiedlicher Räumlichkeiten eine langfristige Bleibe gefunden hatten.
Mit einem Dank an den Architekten und Baumeister Carl Wilhelm Friedrich Maetz „für die schöne und würdige Ausführung dieses Baues“ hatte Eduard Albert Bielz, der damalige Vorsitzende des Siebenbürgischen Vereins für Naturwissenschaften das Museum eröffnet und den Wunsch geäußert „dass es eine Heimstätte eifrigster Forschung auf allen Gebieten der vaterländischen Naturkunde, sowohl ein Hort ernster wissenschaftlicher Studien, als auch ein Ausgangspunkt der Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse in den weitesten Kreisen sein und bleiben möge bis in die fernste Zukunft“. Gleichzeitig würdigte der Vorstandsstellvertreter Seminarprofessor Dr. Josef Capesius in seiner Festansprache den Bau als „ein Denkmal für das gemeinnützige Walten hochherzigen Gemeindegeistes in unserer Mitte“und unterstrich damit die vielfältige, fördernde Unterstützung und Hilfsbereitschaft, die dem Verein beim Bau des Museums zugute gekommen war.
Die Stadt hatte dankenswerter Weise den Bauplatz zur Verfügung gestellt, der Jahre davor für den Bau einer Rechtsakademie vorgesehen war, ein Vorhaben, das jedoch aus verschiedenen Gründen nicht mehr verwirklicht wurde. Nicht allein die Verwaltungsbehörden, sondern auch die Banken, unter ihnen der „Hermannstädter Allgemeine Sparkassaverein“, die Hermannstädter Kreditanstalt „Banca Albina“, die Hermannstädter Bodenkreditanstalt, das Landwirtschaftsministerium, die Nationsuniversität sowie weitere Institutionen und Vereine hatten zur Finanzierung des Museumsbaus beigetragen. Hinzu kamen beachtenswerte private Spenden aus den Reihen der Hermannstädter Bevölkerung sowie von Spendern aus anderen Orten, die diesen Bau als ein unterstützenswertes Projekt zum Wohle der Gemeinschaft ansahen. Dr. med. Daniel Czekelius, der unermüdliche damalige Sekretär des Vereins, würdigte dieses Gemeinschaftswerk, indem er anlässlich der Eröffnungsfeier die Spender namentlich erwähnte und ihnen Anerkennung und Dank aussprach. Er selbst war Motor und Initiator des Museumsbaus gewesen, dessen Verwirklichung zu seinen Hauptverdiensten für die Stadt gehört und ein bleibendes Denkmal auch seiner Tätigkeit darstellt.
Die Begründung naturwissenschaftlicher Sammlungen mit Belegen für die Erdgeschichte, für die Tier- und Pflanzenwelt gehörten zu den Hauptzielen des 1849 gegründeten Siebenbürgischen Vereins für Naturwissenschaften zu Hermannstadt, der sich die „Pflege der Naturwissenschaften mit besonderer Rücksicht auf Siebenbürgen“ zur Aufgabe gemacht hatte. Waren es anfangs wenige Gegenstände, die bei den wöchentlichen Zusammenkünften der Mitglieder gezeigt wurden und die auf einer „mäßigen Tischplatte“ in der Wohnung des Gymnasiallehrers und späteren Stadtpfarrers von Hermannstadt Carl Fuss Platz hatten, sollte sich dieser Zustand bald ändern. Durch die begeisterte Forschungstätigkeit der Gründergeneration wuchsen die Sammlungen sehr rasch, so dass es immer wieder zu Lagerungsproblemen kam und die Frage nach entsprechenden Räumlichkeiten für die Unterbringung der Sammlungen immer lauter und dringlicher wurde. Diese wanderten durch verschiedene Lokale und Wohnungen der Innnenstadt, von Privatwohnungen der Mitglieder über Räume im Brukenthalpalais, in angemietete Wohnungen und mussten auf diese Weise zwischen 1858 bis 1887 sechsmal ihren Standort wechseln. So erwies es sich als eine zwingende Notwendigkeit für die Vereinssammlungen eine bleibende Lösung zu finden.
Der junge Sekretär des Vereins Dr. med. Daniel Czekelius erkennt, dass den Entfaltungsmöglichkeiten des Vereins ohne eigenes Museumsgebäude Grenzen gesetzt sind. Mit seinem strukturierten, organisatorischen Denken und vorausschauenden Planen unterbreitet er dem Verein seine Idee zum Bau eines eigenen Museumsgebäudes. „Aber selbst im engsten Kreise des Vereinsauschusses stößt er auf größten Widerstand“, wie Dr. Viktor Weindel später (1938) berichtet. Nichts kann jedoch Dr. Daniel Czekelius von seinem Ziel abbringen.
So wurde über seinen Antrag „in der Generalversammlung vom 30. Dezember 1890 ein Komitee gewählt, welches die nötigen Vorarbeiten zur Durchführung des Baues eines neuen Musealgebäudes vornehmen und die bezüglichen Anträge der nächsten Generalversammlung vorlegen sollte. Mitglieder dieses Komitees waren außer dem Antragsteller der Sparkassendirektor a. D. Samuel Traugott Binder, Dr. C.F. Jickeli und Fr. v. Sachsenheim, doch wurden die einschlägigen Arbeiten in der Folge größtenteils vom Bureau (und zwar hauptsächlich vom Schriftführer Dr. D. Czekelius) in beständigem Einvernehmen mit dem ganzen Ausschuss durchgeführt“ , wie Josef Capesius 1896 schrieb. Daraufhin wurde – wieder von Daniel Czekelius – bereits im November 1891 ein bestimmtes Bauprogramm entworfen und daraufhin eine „Konkurrenz“ (eine Ausschreibung) für Baupläne eröffnet. „Eines der hierauf eingelaufenen Projekte – von C.W. Friedrich Maetz – zeigte sich so vorzüglich, dass es sofort allgemeinen Beifall fand, und es galt nun nur noch“, wie Capesius berichtet, „die nötigen Baumittel aufzubringen“.
Wie schwierig es sich gestaltete, die nötigen finanziellen Mittel für den geplanten Museumsbau aufzutreiben – eine Tätigkeit, deren treibende Kraft wieder Dr. Daniel Czekelius war – ist in den Vereinsnachrichten der Jahre 1890-1894 festgehalten. Trotz aller Schwierigkeiten und Hindernisse hatte man schließlich Mitte des Jahres 1894 die Mittel beisammen, um im Sommer 1894 den Bau zu beginnen, der bis zum Einbruch des Winters in der Hauptsache fertiggestellt und im Frühjahr 1895 bezogen werden konnte. So fand auch die erste Vorstandssitzung für das Jahr 1895, in der die Planung der Eröffnungsfeierlichkeiten auf der Tagesordnung stand, bereits in den eignen Räumen des Museums statt.
Um einen guten Ablauf der Museumstätigkeiten zu gewährleisten, hatte Dr. Daniel Czekelius einen Antrag auf Anstellung eines Museumsdirektors mit bestimmten Pflichten gestellt und für dieses Amt den dahin als Kustos der Sammlungen tätigen Moritz von Kimakowicz vorgeschlagen, der diese Stelle dann auch annahm und das Amt über einen längeren Zeitraum bekleidete. Das Museum bestand aus einer zoologischen, botanischen, mineralogisch-geologischen und einer ethnographischen Abteilung sowie einer dazugehörigen Bibliothek. Diese Abteilungen waren jeweils zuständig für eine große Anzahl von Sammlungen. Es würde den Rahmen sprengen, sollte man die zahlreichen bedeutenden wissenschaftlichen und historisch bedeutsamen Sammlungen aufzählen, die im Besitz des Museums sind und großenteils von ehemaligen Mitgliedern des Siebenbürgischen Vereins für Naturwissenschaften angelegt wurden. Jede dieser Sammlungen verdient eine eigene Würdigung und wissenschaftliche Analyse.
Mit den wertvollen alten und neueren Beständen reiht sich das naturwissenschaftliche Museum in die Reihe der international bedeutenden Museen ein, deren Sammlungen für wissenschaftliche Forschungen bis zum heutigen Tag einen unschätzbaren wissenschaftlichen Wert darstellen, der große Beachtung verdient. Gerade gegenwärtig ist dem Rechnung zu tragen, da die weltweite biologische Vielfalt und ihre Bewahrung immer mehr in den Mittelpunkt naturwissenschafticher und auch wirtschaftlicher Studien rückt.
In dem neuen Gebäude wurden auch dem Siebenbürgischen Karpatenverein Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt und dafür eine vertragliche Vereinbarung getroffen. Über viele Jahrzehnte, d.h. bis zur Auflösung beider Vereine und der Verstaatlichung des Museums im Jahr 1948 hat zwischen den beiden Vereinen eine sehr gute Zusammenarbeit bestanden.
Verbunden mit dem Museumsbau war auch die Gestaltung der Außenanlagen in Form eines Parks. Dabei wurde überlegt, auf welche Art und Weise der beschränkte Raum für eine wissenschaftlich-botanische Anlage genutzt werden könnte. Dazu hatte der damalige Kustos der botanischen Sammlungen, Josef Schullerus, dem Vereinsvorstand einen Plan für die Gestaltung der Außenanlagen unterbreitet. Eine erste Maßnahme war die Führung der Wege und ihre Beschotterung, die Abgrenzung der Beete und ihre Bepflanzung, sowie die Gestaltung der Grünflächen und einer Hecke.
Als „Heimstätte eifrigster Forschung“ hat das Museum in seiner 120-jährigen Geschichte Höhen und Tiefen mitgemacht. So warf der erste Welkrieg seine Schatten, die mit der Auslagerung einiger Sammlungen verbunden war. Es blieb jedoch alles unversehrt, so dass auch die Sammlungen unter ihnen die wertvolle Käfersammlung von Dr. Karl Petri, die in Klausenburg untergebracht und von Professor Borza betreut wurde, zurückkehren konnten. 1948 wurde der Verein aufgelöst und das Museum verstaatlicht. Die Einrichtung der Räume blieb vorerst in ihrer ursprünglichen Form mit kombinierten Schau- und Sammlungskästen, um in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre eine teilweise Umgestaltung zu erfahren. Diese war mit der Einrichtung eines Raumes zum Thema Evolutionismus verbunden. Sicher kann sich mancher der älteren Generation an die großen, Wände füllenden Gemälde der Erdzeitalter von Hans Hermann erinnern.
Aufgrund der reichen Sammlungsbestände aus aller Welt war es möglich 1972 eine für Rumänien damals einmalige Ausstellung zur Systematik der Tierwelt einzurichten und nach neueren Gesichtspunkten der Museographie zu gestalten. Die ethnographische Sammlung wurde ausgelagert, in das Brukenthal-Museum integriert und kam später in das Museum im Hermes Haus am Kleinen Ring.
Im Jahr 2007 wurde die Ausstellung zur Systematik der Tierwelt geschlossen und eine neue mit Dioramen, d.h. mit der Gestaltung von Lebensräumen und ihrer Arten in dreidimensionaler Form eröffnet.
Waren die Sammlungen des Vereins in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nach dem Tod der Gründungsmitglieder und der Integrierung deren Sammlungen sehr stark angewachsen, so vergrößerten sie sich auch in den folgenden Jahrzehnten d. h. über das ganze 20. Jahrhundert hinweg in so beachtlichem Maße, dass man bereits wieder mit Platzmangel zu kämpfen hat. Besonders in den letzten Jahrzehnten sind bedeutende botanische und entomologische Sammlungen hinzugekommen.
Insgesamt war der Bau des nun auch in die Jahre gekommenen Museums eine gemeinschaftliche Leistung von herausragender Bedeutung. Es war ein Kraftakt, der für die weitere Entwicklung des Siebenbürgischen Vereins für Naturwissenschaften damals und für sein Fortbestehen lebensnotwendig war und zu einer beeindruckenden Entfaltung seiner Tätigkeiten in den folgenden Jahrzehnten und bis in die Gegenwart führte.
Erika SCHNEIDER
Das Museumsgebäude auf einer Zeichnung von 1895.