Was sind denn „Improductions“?

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Ausgabe Nr. 2425
 

Die Hermannstädter Pianistin und Klavierlehrerin Ioana Ilie im HZ-Gespräch

 

Ich habe immer mein Ding durchgezogen. Meine Mutter hatte aber immer mehr Lampenfieber als ich", erzählt die am 24. Juni 1988 in Hermannstadt geborene Pianistin Ioana Ilie, die seit Februar an der Musikakademie der Stadt Basel unterrichtet. Sie findet es wunderbar und fühlt sich dort wie zuhause. Zuhause konzertierte sie Anfang März und im Vorfeld gewährte sie der HZ-Chefredakteurin Beatrice U n g a r nachstehendes Interview.

 Deine Mutter wollte, dass du eine deutsche Schule besuchst.

Genau; sie hat mich zu einer privaten Deutschlehrerin geschickt, bei der ich ein paar Stunden hatte. Ich war damals drei Jahre alt. Irgendwann hab ich doch eine Hausaufgabe gemacht, und auch gut und die Lehrerin war ziemlich begeistert, sie hat mir dann gesagt, es war so gegen Weihnachten: „Sehr gut! Als Belohnung spiele ich dir jetzt am Klavier ein paar Weihnachtsstücke vor“.

Als ich das Instrument gesehen habe, war das für mich tausendmal spannender als die deutsche Sprache und ich wollte natürlich auch sofort ran. Ich bin da stundenlang geblieben und in den nächsten 2-3 Deutschstunden wollte ich nur noch ans Klavier und kein Deutsch mehr lernen. Die Lehrerin hat dann irgendwann mal gesagt: „Ich glaube, das wird nichts mit dem Deutschlernen, denk lieber ans Klavier“ und meine Mutter hat den Gedanken dann auch aufgegeben und gesagt: „Gut, versuchen wir es mit dem Klavier“. Das war für sie kein Problem, weil sie eine unglaublich große Plattensammlung hatte, vor allem mit klassischer Musik und Klaviermusik. Ich bin mit dieser Musik aufgewachsen. Meine Mutter hat es dann irgendwann geschafft Geld zu sparen und mir ein Klavier zu besorgen, was keine Selbstverständlichkeit war. Nun hatten wir ein Klavier und suchten eine Lehrerin, und fanden Frau Elena Drughe, welche sagte, als siamich gesehen hatte, dass es sicher nichts wird, da ich viel zu klein und dünn bin. Meine Mutter fand die Lösung: ich machte zwei Jahre lang Gymnastik als Leistungssport, sodass mich die Lehrer sogar mit zur Olympiade nehmen wollten, aber meine Mutter war nicht damit einverstanden, sie hatte Angst ich würde mir das Genick brechen oder was anderes. Nach zwei Jahren intensiver Gymnastik sind wir wieder zu Frau Drughe gegangen, und diesmal musste sie mich annehmen. Danach begleitete sie mich neun oder zehn Jahre als Klavierlehrerin, währenddessen ich viele Wettbewerbe gewonnen hatte. Wettbewerbe wurden wie ein Spaziergang für mich, es war normal, dass wir an 3-4 Wettbewerben im Jahr teilnahmen, was für mich keine große Sache war, vielleicht auch, weil ich nicht so viel davon verstand.

Es hat dir aber Spaß gemacht.

Es hat mir auch Spaß gemacht, meine Mutter war dabei… es war auch ein bisschen streng weil es letztendlich auch darum ging, ob man etwas gewinnt oder nicht, aber es ging alles immer bergauf, sehr gut.

Hast du an der Musikschule hier in Hermannstadt gelernt?

Ganz genau. Die ersten vier Schuljahre als externe Schülerin und dann ab der fünften Klasse habe ich gewechselt. Dann habe ich zu Enikö Orth gewechselt und mit ihr weiterhin Wettbewerbe gewonnen, inklusive den Constantin Silvestri Stipendium Wettbewerb, welcher einmal im Jahr stattfindet und bei dem es einen einzigen Preis gibt, ein Stipendium in England, in York. Das Stipendium habe ich im Schuljahr 2005/2006 wahrgenommen und wollte nach diesem Jahr eigentlich da bleiben aber es war viel zu kompliziert, weil das Schulsystem ganz anders ist und ich wollte nicht riskieren, dass mein Abschluss nicht anerkannt wird.

Welche Klasse war das denn?

Das war die elfte Klasse, es wäre alles ein bisschen problematisch gewesen, also entschied ich mich, wieder nach Rumänien zu kommen, um mein Abitur zu schreiben und alles zu beenden.

Eigentlich wollte ich danach nach London fahren, wo es mindestens drei richtig gute und hoch angesehene Musikakademien gibt. Ich hatte mich nur für eine beworben, da es zeitlich passte, kam auch auf die Warteliste aber ich hätte es mir nie leisten können. Also brauchte ich ein Stipendium. Als ich das den Zuständigen sagte, boxte ich meine Chancen an der Akademie weg, vor allem weil alles im Jahr 2007 geschah, als Rumänien der EU beitreten sollte. Das war für mich anfangs eine Enttäuschung. Aber zum Glück kannte ich Adelina Oprean, die Geigerin, die seit Jahren in Basel unterrichtet und Justin Oprean, ihren Bruder, einen Pianisten, der in Bonn unterrichtet hatte. Sie boten jedes Jahr in Hermannstadt einen Meisterkurs, an dem ich auch teilgenommen hatte.  Beide waren sehr hilfsbereit und gaben mir verschieden Vorschläge, an erster Stelle Basel, gefolgt von Mannheim, Karlsruhe, Brüssel… Letztendlich spielte ich in Basel und Mannheim vor, wobei in Mannheim ein alter Pianist im Rollstuhl mir ein bisschen komisch vorkam, als Lehrer, da er nur begrenzt etwas vorspielen konnte. Außerdem sagte er, ich wäre der Star in unserer Klasse und das wollte ich nicht… mit 19 fühlte ich mich noch lange nicht wie ein Star. Ich bin also nach Basel gegangen, wo ich eine kleine Prüfung abgeben musste; klein, weil die Anmeldefrist schon vergangen war, da ich meine Papiere nur eine Woche früher geschickt hatte; aber der Klavierlehrer von dort, der später auch mein eigener wurde, sagte mir ich solle mir keine Sorgen machen, ich solle so bald wie möglich nach Basel fahren und alles würde gut sein. Dort angekommen, spielte ich allen vor, schrieb die Theorieprüfung und ließ meine Gehörbildung testen. Es war eigentlich ziemlich schnell klar, dass das kein Problem sein wird, dort angenommen zu werden, trotz der Verspätung und allem, der Lehrer war schon sehr begeistert, dass ich dort studieren will und sagte nach den ersten zehn Minuten Klavierspielen, dass ich angenommen sei. In Basel habe ich mein dreijähriges Bachelorstudium erstmal abgeschlossen und danach ein zweijähriges Masterstudium in Pädagogik gemacht. Ich merkte, wie viel Konkurrenz es da gibt und einfach wie viele unglaublich gute Leute es gibt und wenn es so viele gute Leute gibt, ist es selbstverständlich, dass einer nach vorne kommt und der andere nicht. Es hängt aber auch sehr viel vom Glück, vom richtigen Zeitpunkt und Ort ab.

Hast Du an dem Carl Filtsch-Festival in Hermannstadt teilgenommen?

Ich habe etwa drei Mal daran teilgenommen. In einem Jahr, 2004 wenn ich mich recht erinnere, habe ich den ersten Platz gewonnen. Danach kam auch diese Sache mit dem Exzellenzpreis seitens des Rotary Clubs Hermannstadt.

Das war der erste Exzellenzpreis.

Richtig.

Du bist jetzt Klavierlehrerin, machst aber auch als Solistin weiter und auch als Komponistin…

Ganz genau! Komponieren macht mir auch Spaß. Ich hatte auch in Basel als Wahlfach Kompositionsunterricht gehabt, 3 oder 4 Jahre lang, Improvisationsunterricht hatte ich auch und das mache ich auch sehr oft, das ist so zu sagen fast meine Unterschrift, natürlich Kammermusik und vor allem Liedbegleitung. Ich denke, dass ich für das letztere wirklich  gemacht wurde und ich liebe die Sänger, wir verstehen uns. Diese Vielfalt möchte ich sehr gerne beibehalten und weiter ausüben und das ist auch der Grund, weswegen ich nicht weiter studiert habe.

Ist das für dich jetzt der erste Auftritt als Solistin bei einem Konzert?

Nein. In Hermannstadt hatte ich schon mehrere Auftritte und sonst bin ich als Solistin auch außerhalb von Hermannstadt tätig. Vor kurzem hatte ich ein paar Konzerte in Sofia/Bulgarien, eine Konzerttournee in Japan vor 4 Jahren; ansonsten viel im deutschsprachigem Raum. Viele Improvisationsrezitale vor allem…

Was kann man unter Improvisationsrezitalen verstehen?

Es sind Konzerte, die ich Improductions genannt habe, bei welchen man improvisiert. Das ist allerdings keine leichte Sache. Die Idee ist, das Publikum mit einzubeziehen. Ich bereite ein kleines Musikstück vor, 15-20 Minuten, sodass die Leute wissen, worüber die Rede ist. Dazu bringe ich einen Moderator, der auch eine Ahnung von Musik und Improvisation haben muss und der den ganzen Abend mich mit dem Publikum verbinden, das Publikum motivieren und animieren muss, so dass sie keine Hemmungen haben Ideen auszusprechen und Vorschläge zu machen, worauf ich dann Improvisationen produzieren kann.

Also ist es ein Improvisationswunschkonzert.

Ganz genau! Da ist eben das Publikum genau so wichtig wie der Interpret und der Moderator muss vom gespielten Programm anfangen und mit dem Publikum von da aus eine Thematik entwickeln aus der wir immer Ideen rausnehmen können, worauf ich dann Improvisationen machen kann. Es ist also wie ein Klavierrezital mit Improvisationswunsch, ein Konzert mit einem ziemlich kleinen Publikum.

Es ist natürlich nicht leicht, aber ich hatte Glück, dass ich meinen Improvisationsprofessor als Moderator einstellen konnte und er kennt mich natürlich sehr gut und kennt sich auch mit dem Improvisieren sehr gut aus.

Für dich ist ja das Wichtigste, dass du Musik machst. Aber was bedeutet für dich Musik?

Ich weiß nicht, ob ich die Frage in wenigen Worten beantworten kann. Ich kann mich gut daran erinnern, dass ich auch sehr gerne Fußball gespielt habe, aber am liebsten habe ich, besonders wenn ich alleine war, Klavier gespielt, aus reiner Neugier und purer Leidenschaft. Meine Mutter hatte mich fast jeden Monat mit einer CD oder Kassette belohnt und jedesmal waren es Sachen, die ich nicht kannte und so habe ich die Lieder auf dem Klavier spielen wollen, wenn auch nur nach Gehör. Da waren auch viele Sachen dabei, die ich nicht spielen konnte. Aber ich habe so viel geübt, bis ich fast alles spielen konnte. Mit 11 oder 12 konnte ich schon einige Beethoven-Konzerte mehr oder weniger durchspielen, Mozart und Haydn sowieso, ein bisschen Tschaikovsky und auch andere, alles nach Gehör.

Das ist ja eine Gabe.

Ist es schon, das stimmt. Aber es wuchs wirklich aus meinem Inneren. Es hatte mich vor allem auch interessiert, wie die Sachen geschrieben wurden, damit ich weiß, wie man komponiert. Es hat alles eine große Rolle in meiner Vorbereitung gespielt.

Jetzt zu den Komponisten, du spielst in Hermannstadt das Klavierkonzert Nr. 2 in g-Moll von Prokofjew. Ist es dein Lieblingskomponist?

Ludwig van Beethoven, Johannes Brahms und Gustav Mahler sind meine Lieblingskomponisten. Zu Prokofjew fand ich folgendermaßen: Adrian Oetiker, mein Lehrer in Basel, hatte mir den Vorschlag gemacht, mich mit russischen Komponisten zu befassen, um zu sehen, was mir gefällt und ich gab ehrlich zu, dass ich die Musik von Sergej Rachmaninow kenne, aber nicht viel von ihm verstehe, mittlerweile liebe ich ihn, dann fragte er, ob ich was von Prokofjew gehört hatte, und das war etwas, was für mich bis dahin so etwas wie ein Tabu gewesen war. Er stellte mir eine Sonate vor und ich übte sie ein und fand sie von Anfang an absolut genial.

Wie ist es mit dem Lampenfieber?

Ich habe nicht umbedingt Angst davor, weil ich das schon seit meinem sechsten Lebensjahr mache und weil ich mich als die kritischste Perfektionistin betrachte die es gibt, deswegen muss ich mich immer vorbereitet fühlen wenn ich zu einem Konzert gehe, egal ob mit einem Geiger oder mit einem ganzen Orchester. Die Vorfreude ist die schönste von allen. Auch jetzt kann ich es kaum erwarten, wieder am Klavier zu sitzen und etwas zu spielen. Natürlich muss ich ein bisschen zittern, bevor ich am Klavier sitze…das ist auch nötig. Wenn ich nicht zittere vor einem Konzert ist es mir entweder nicht wichtig oder irgendetwas stimmt nicht. Eine kleine Aufregung muss da sein.

Macht es dir mehr Spaß, deine Musik aufzunehmen oder ist das Live-Auftreten doch interessanter?

Das mit dem Aufnehmen mache ich nur im Notfall. Ich finde aber nichts besser als die Live-Performance. Man ist ein Teil des Geschehens, alles hat Sinn. Die wahre Herausforderung für mich ist ja das Live-Auftreten.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

Ioana Ilie und ihr geliebtes Instrument, das Klavier. 

Foto: ioanailie.com

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Musik.