Ausgabe Nr. 2424
Kinderuni in Kirchenburg und Schule
Nach einer zweistündigen Fahrt von Hermannstadt aus, kommen wir in dem von Hügeln und Wäldern bewachten Bekokten an. Ich muss gestehen, der Weg war alles andere als autofreundlich, aber die Fahrt dorthin hat sich definitiv gelohnt. Obwohl das Wetter am vergangenen Samstag gar nicht mitgespielt hat, konnte man die Aussicht in vollen Zügen genießen. Trotzdem stimmt einen die Fahrt dorthin nachdenklich und eine Mischung aus Frust, Ärger und Mitgefühl kommt auf, und das nicht etwa wegen der schlechten Straßen, sondern viel mehr wegen der Lebensbedingungen der Menschen aus den Dörfern.
Bekokten ist aber anders. Mit dem Programm Kinderuni und unter dem Motto „Spielend Leben entdecken“ versteht die Kinderuni, laut ihrer Beschreibung auf der eigenen Internetseite, Bildung „als identitätsstiftendes Lernen im Kontext gesellschaftlichen Handelns“ und fördert „soziales Lernen im interkulturellen, interethnischen und erlebnispädagogischen Bereich“. Es mag vielleicht anspruchsvoll klingen, aber die Idee dahinter leuchtet ein: Kinder sollen lernen, die Welt um sich herum zu verstehen, nicht etwa durch den frontalen Unterricht, wie in der Schule, sondern durch Aktivitäten, die das Denken fördern, die Spaß machen aber gleichzeitig belehrend sind. Übertrieben gesagt ist die Kinderuni ein Angebot politischer Erziehung für Kinder, welches aber nicht parteipolitisch gefärbt ist.
In Bekokten angekommen, gingen wir zum Info-Kino-Café, wo uns Alexander Eickhoff mit einem offenen und liebevollen Lachen begrüßte. Der deutsche Rentner verbringt seine Freizeit gerne in Bekokten und arbeitet freiwillig für die Gemeinde, gleichzeitig ist er für die Kinderuni tätig. Außer Kaffee und Kuchen lag ein Prospekt mit dem Programm des Tages bereit. Die Aktivitäten der Kinderuni am Tag der offenen Türen fanden in der Kirchenburg, in der ehemaligen deutschen Schule und in dem Kultursaal statt. Wir nutzten die Zeit, die uns die Mittagspause bot, um uns die Räumlichkeiten anzuschauen. Der große und der kleine Seminarraum beherbergten drei spannende Tätigkeiten: „Töne spielen“, wo man Experimente zwischen Musik und Physik durchführen konnte, „Ohren auf!“, wo es darum ging, Musikinstrumente selber zu bauen und „Von rechts nach links“, wo die Kinder etwas über die Entstehung der hebräischen Sprache und Schrift erfuhren und dann ihren eigenen Namen auf Hebräisch schreiben lernten. Der Kultursaal wurde in Circus „Danubii“ umgewandelt und neben den spielenden und lachenden Kindern konnte man trotzdem in der Mensa in Ruhe essen und sich kurz entspannen. Die Stimmung war sehr ausgelassen und positiv.
Nach der Mittagspause trafen wir Alexander Nutz, welcher Fotograf, ifa-Kulturassistent in Fogarasch und einer der Ausbilder der Kinderuni ist. Seine Fotoausstellung „Portraits der deutschen Minderheit“ besteht aus Bildern und Texten über die letzten Siebenbürger Sachsen in Bekokten und Seligstadt. „Diese Bilder sind in einem Workshop entstanden, welcher über fünf Tage ging, mit Teilnehmern im Alter von 16 bis 24 Jahren und die Idee dahinter war, die letzten Siebenbürger Sachsen in Bekokten und Seligstadt zu porträtieren. Dazu haben wir ein Medium ausgewählt, das fast genauso alt wie die Porträtierten selbst ist“, erzählt uns Alexander. Die Kameras, die verwendet wurden sind zwanzig bis vierzig Jahre alt und waren eine Spende von Copilul e.V., einem Verein aus Deutschland. Themen wie Bildaufschnitt, Perspektive oder Bilderschießen wurden in der Einführung in die Fotografie behandelt und die Teilnehmer sind danach losgegangen um die letzten Siebenbürger Sachsen zu fotografieren und zu interviewen. Die Bilder, die dabei entstanden sind, wurden in der Dunkelkammer von den Teilnehmern selbst entwickelt. Alles in nur fünf Tagen. „Das ist keine Hochglanzfotografie… aber das ist egal, es hat Atmosphäre,“ erzählt Alexander Nutz, und weist auf die paar Fehler hin, die die Bilder enthalten.
Die Fotoausstellung war aber nicht alles was Alexander Nutz den Besuchern zu bieten hatte. „Heute präsentieren wir zum einen die Fotoausstellung, zum anderen können die Leute aber auch selbst Kameras basteln, nach einem ganz einfachen Schema: aus Pappe. Das Prinzip ist das der Lochkamera“, erzählt Alexander. Wussten Sie, dass man aus allem eine Kamera basteln kann? Egal ob eine alte Dose oder ein Schuhkarton, alles was man braucht ist ein geschlossenes Gebilde, wo ein kleines Loch reingeschnitten wird und hinten das Fotopapier bzw. Film reingesteckt wird. Im Keller der ehemaligen deutschen Schule war im wahrsten Sinne des Wortes eine Dunkelkammer entstanden. „Fotomania: Bilder aus dem Nichts. Was ist ein Fotogramm und wie entsteht es?“ heißt es auf dem Programmzettel und gemeint sind zwei Schwerpunkte der Aktivität: Kunst in Zusammenhang mit Chemie. Wie könnte man einem elf-/zwölfjährigen besser erklären, wie ein Entwickler funktioniert, warum Essig die Entwicklung eines Fotofilmes stoppt? Fotopapier, Dunkelkammerlicht, normales Licht und Chemikalien. Dies sind die Zutaten die man braucht, um Bilder sogar im eigenen Keller entstehen zu lassen. Kinder sind mindestens dreimal so begeistert über die Entstehung der Bilder, als sie über ein Computerspiel je sein werden.
Wir verabschieden uns von Alexander Nutz und seiner wundervollen Arbeit, nachdem uns die Chance angeboten wurde, unsere eigenen Bilder herzustellen. Nachdem wir auch Herrn Eickhoff Adieu gesagt haben, treten wir unsere Heimreise an. Der Heimweg scheint, obwohl es immer noch regnet, nicht mehr so düster.
Kinderuni ist eine tolle Idee, Kinder auch auf anderen Gebiete und durch andere Methoden zu fördern. Schule spielt dabei aber auch eine sehr wichtige Rolle, denn was sie theoretisch lernen, können die Kinder mit Hilfe der Aktivitäten, die an der Kinderuni geboten werden, praktisch anwenden.
Andreea CROCE
Bild links: ifa-Kulturassistent Alexander Nutz (rechts) hatte im Keller der ehemaligen deutschen Schule eine Dunkelkammer eingerichtet und präsentierte der HZ-Praktikantin Andreea Croce (links) die Ergebnisse des Fotoworkshops.
Bild rechts: In einer der zahlreichen Werkstätten konnten die Kinder Musikinstrumente bauen, unter dem Motto "Ohren auf! Musikinstrumente selber bauen – Geschichten werden hörbar und lebendig."
Fotos: Alexandru VORONCA