Buchstäblicher Oscar-Regen in LA

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Ausgabe Nr. 2419
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Streiflichter von der Oscar-Preisverleihung 2015

 

Die Oscar-Preisträger 2015 sind ja schon alle bekannt. Wir erinnern: „Birdman oder Die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit" von Alejandro G. Iñárritu hat in den „Königskategorien" abgeräumt – bester Film, beste Regie, bestes Originaldrehbuch, beste Kamera. Vier Oscars, allerdings in Nebenkategorien, erhielt auch Wes Andersons Komödiendrama „Grand Hotel Budapest". Besonders zu erwähnen ist, dass „Ida", der unter die Haut gehende Schwarz-Weiss-Streifen des Polen Pawel Pawlikowski zum besten „Nicht-englischsprachigen Film" gekürt worden ist. Irgendwie passend dazu, dass mit „Birdman" eine beißende Satire auf Hollywood quasi den Vogel abgeschossen hatte. „Ida" ist großes Kino! Was am Tag und in der Nacht der Preisverleihung in Los Angeles (kurz LA) u. a. zu erleben war, davon berichtet die in Hermannstadt geborene und in LA lebende Journalistin, Autorin und Hochschullehrerin Aura Imbarus:

 

Egal wen Sie von den Bewohnern in Los Angeles gefragt hätten, ob es in der vergangenen Woche regnen würde, hätte er oder sie gesagt, „kaum zu glauben".

Das schöne Wetter in Los Angeles wird von der ganzen Welt neidvoll betrachtet aber wie heißt es denn in einem von Murphys Gesetzen? „In nature, nothing is ever right. Therefore, if everything is going right, something is wrong.” (In der Natur stimmt nie etwas. Folglich stimmt etwas nicht, wenn alles stimmt.) 

So kam es auch diesmal: Obwohl die ganze Woche lang die Sonne geschienen hatte, ging etwas schief genau am 22. Februar 2015, bei der 87. Auflage der Oscar-Preisverleihung. Der Rote Teppich des Dolby-Theaters und nicht nur dieser wurde regelrecht auf seine Regentüchtigkeit getestet. Auf dem Sunset Boulevard kam der Verkehr nur schwer voran, auf dem Santa Monica Boulevard ging es im Schneckentempo voran und auf dem Hollywood Boulevard gab es kein Durchkommen. Die Stars versuchten, ihr Make-up unter Riesenschirmen oder unter ad hoc aufgestellten Zelten zu erhalten. Einige hatten das Glück, bei der Vanity Fair Party  im Wallis Annerberg Center for Performing Arts in Beverly Hills im Trockenen zu stehen.Andere, die sich im Zelt der Elton John’s AIDS Foundation aufhielten, wurden regelrecht einer Dusche unterzogen, als ein Teil des Zeltes den Wassermassen nicht mehr standhalten konnte und eine Reihe von Gästen, darunter Heidi Klum, Vito Schnabel, Toni Braxton, Kate Walsch und Aaron Paul wurden buchstäblich gewaschen.

Vom Standpunkt der Mode und der am meisten verwendeten Farben „regnete" es bei der 87. Auflage der Oscar-Preisverleihung mit Schwarz und Weiss.  Das Fehlen der schwarzen Rasse blieb weder vom Publikum noch von der Kritik ungeachtet.  Selbst Neil Patrick Harris eröffnete seine Ansage mit den Worten. „An diesem Abend ehren wir Hollywoods Beste und Weißeste, ich meine Hellste" (the best and the whitest, I mean the brightest).

Die kulturelle Vielfalt kam doch zum Zuge, durch die Anwesenheit und die Ehrung des mexikanischen Regisseuren Alejandro Gonzales Iñárritu für seinen Film „Birdman,” doch die Rassenvielfalt blieb aus. „Selma", der Film, der dem von Martin Luther King 1965 für die Rechte der Schwarzen organisierten Marsch von Selma nach Montomery gewidmet ist, erhielt zwar einige Nominierungen, doch Regisseur Ava DuVernay wurde auf die Reservebank gesetzt. Lediglich der Filmsong „Glory" von  John Legend aus dem Bürgerrechtsdrama wurde mit einem Oscar ausgezeichnet.

Die Vertreter der nationalen Minderheiten gehörten zwar nicht zu den Oscar-Nominierten des Jahres aber es regnete nur so mit ihren Vertretern auf der Bühne der Preisverleihung, wo Idris Elba, Viola Davis, Zoe Saldana, Eddie Murphy, Jennifer Lopez und Dwayne Johnson Hollywoods Talente vorstellten und Preise aller Art verteilten. Da Regenwetter angesagt war, „benetzten" sowohl Hollywood als auch die gesamte Welt – nicht nur die Filmkritiker – die Herzen und die Augen der Audienz mit Produktionen, die dem wahren Leben gewidmet sind und Bruchstücke aus dem Alltag einfacher Menschen in den Vordergrund stellen.

„American Sniper", „Selma", „The Theory of Everthing", „Whiplash" äfften in keiner Weise den Lach-, Tränen-, Schweiss- und Liebesregen der Blockbuster nach sondern bewiesen vielmehr, dass der Regen eine sehr wichtige Rolle spielt bei der Klärung des Geistes, bei der Reinigung des Leibes, der Erde, damit die Ernte reichhaltiger ausfällt.

 „You pray for rain, you gotta deal with the mud too. That’s a part of it” (Wenn Du um Regen betest, musst Du auch den Morast in Kauf nehmen. Dieser gehört dazu), sagte Denzel Washington. So stellen wir fest: Auch wenn wir unsere langen Abendkleider durch den Morast ziehen mussten und die Kleidschleppen durchnässt waren,  selbst wenn das Wasser unsere Sandalen und Füße „erfrischt" hat, kann auch ein Regenschauer wie der in LA die Schönheit eines einzigen Oscar-Abends nicht wegwaschen. Kurzum: "It was made in LA, and it was enjoyed by the whole world" (Es wurde in LA gemacht und von aller Welt genossen). Es war also gut, dass es in LA auch wieder einmal geregnet hat!    Aura IMBARUS

 

 

Foto 1: Als legendärer Concierge Gustave H. genießt Ralph Fiennes die Gesellschaft von betuchten und betagten Damen in Grand Budapest Hotel". Die in Babelsberg co-produzierte Komödie spielt in den 1920-er Jahren, wurde zum Großteil in der Görlitzer Altstadt gedreht und lief im Wettbewerb der Berlinale 2014, wo sie am 6. Februar 2014 Weltpremiere  feierte. Regisseur Wes Anderson erhielt dafür den Silbernen Bären in der Kategorie Großer Preis der Jury und im Januar 2015 den Golden Globe für Regie.

Foto 2: Szenenfoto aus Ida" mit Agata Trzebuchowska (Anna/Ida, rechts) und Agata Kulesza (Wanda). Anna, eine 18-jährige Novizin aus einem abgelegenen Kloster in Polen anno 1962 trifft vor dem Ablegen der Gelübde ihre einzige Verwandte, ihre Tante  Wanda (Agata Kulesza), Richterin und Mitglied in der Kommunistischen Partei. Anna erfährt von ihrer Tante, dass ihr richtiger Namen Ida Lebenstein ist und sie folglich eine jüdische Nonne" sei. Gemeinsam machen sie sich auf die Suche nach Annas Eltern und stoßen auf grauenvolle Tatsachen.

 

 

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Film.