Ausgabe Nr. 2415
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Hans Gehl und Hans Fink brachten Erinnerungsbuch heraus
Ein Banater Posaunist und zwei Kinder, die mit einem Schlauchboot über die Donau nach Jugoslawien flüchten. Eine Handvoll Kronstädter, die couragiert vor einem Vertrauensmann Ceauşescus die damaligen Missstände anprangern. Eine junge Heltauerin, die hungerleidend in vier sowjetischen Lagern arbeiten muss. Ein sächsischer Geistlicher, dessen Pfarrhaus in Mediasch zum Lebensmittelladen und Apotheke umfunktioniert wird.
Von all diesen Rumäniendeutschen und noch vielen mehr handelt der kürzlich von Hans Fink und Hans Gehl herausgegebene Sammelband „Jein Genossen!!" Rumäniendeutsche erzählen: Vom Zweiten Weltkrieg bis zum Fall des Eisernen Vorhangs“ (IKGS Verlag München).
In 70 Beiträgen werden verschiedenste Aspekte des Lebens der deutschsprachigen Minderheit im kommunistischen Rumänien beleuchtet. Dabei kommen Männer und Frauen unterschiedlichster Jahrgänge (Die älteste Zeitzeugin aus Neuarad an der Marosch wurde um 1880 geboren, die jüngste aus Pretai an der Großen Kokel, im Jahre 1961) als auch Berufsgruppen zu Wort: Unter anderem berichten Lehrer, Ärzte, Handwerker, in der Landwirtschaft und Industrie Tätige, Künstler, Geistliche und Funktionäre von ihrem Alltag als auch von vielerlei besonderen Begebenheiten, welche sich im letzten Jahrhundert im Banat und Siebenbürgen als auch in anderen Regionen ereignet haben.
In den in der Anthologie zusammengetragenen Erinnerungen wird sowohl auf die verschiedensten Drangsalierungen, denen man im damaligen Rumänien ausgesetzt war, als auch auf die trotz der widrigen Umstände hervorgebrachten Leistungen der Deutschrumänien im wirtschaftlichen und kulturellen Leben eingegangen.
In dem etwas mehr als 700 Seiten umfassenden Erinnerungsbuch wird aufgezeichnet, welche Wege die Rumäniendeutschen bis zum Sturz des Ceaușescu-Regimes einschlugen: Wege des Widerstands (unter anderem berichten drei ehemalige Häftlinge) und Wege des Einlenkens. Und auch – wie schon angemerkt – Fluchtwege. Der Band enthält mehrere abenteuerliche Fluchtgeschichten. Ebenso werden die verschiedenen Gründe für die Aussiedlung und die Erfahrungen, welche beim Neustart in Deutschland gemacht wurden, thematisiert.
Das Werk spannt einen breiten Bogen, erhebt allerdings natürlich nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Dennoch erhält der Leser aufgrund der Vielfalt von sich gegenseitig ergänzenden Erzählungen – wiedergegeben von Rumäniendeutschen mit unterschiedlichstem Hintergrund – einen sehr profunden Einblick in das Leben der deutschsprachigen Minderheitsgruppe im Rumänien von 1945 bis zur Wende 1989.
Die Geschichten erzählen aus erster Hand von den Schicksalen der Rumäniendeutschen und sind dementsprechend meist sehr anschaulich und spannend geschrieben. Treffender als der jetzige war deshalb der ursprünglich angedachte Titel für den Sammelband formuliert: „Alles selbst erlebt“.
Benjamin ROSSMANN
Hans Fink und Hans Gehl (Hg.): „Jein, Genossen!". Rumäniendeutsche erzählen. Vom Zweiten Weltkrieg bis zum Fall des Eisernen Vorhangs. IKGSVerlag München, 2014, 707 Seiten, ISBN 978-3942739030