„Nicht weniger freuen mich die deutschen Laute…“

Teile diesen Artikel

Ausgabe Nr. 2411
 >

Preisverleihung für internationalen Erzählwettbewerb in Berlin

 

Freiherr von Eichendorff kam aus Oberschlesien, geboren wurde er 1788 auf dem elterlichen Schloß Lubowitz bei Ratibor, getauft  dort ebenso, bekam die Namen Joseph Karl Benedikt. Ein Hauslehrer unterrichtete ihn, das katholische Gymnasium besuchte er in Breslau, zum Studium der Rechtswissenschaften ging er später nach Halle, Heidelberg und Wien. Sein dichterisches Leben begann sehr früh, seine Märchennovellen, seine Romane sind weltbekannt, seine romantische Lyrik gehört zu der meistgelesenen aus der Zeit der deutschen Romantiker. Das sehr poetische Gedicht die „Wünschelrute“ schrieb der Dichter 1853 im fortgeschrittenen Alter; die Spätromantik war bereits eingeleitet. Den ersten Vers dieses Poems – „Schläft ein Lied in allen Dingen“ – haben sich die Deutsche Gesellschaft e.V., der Verein für Deutsche Kulturbeziehungen im Ausland e.V. (VDA) und die „Stiftung Verbundenheit mit den Deutschen im Ausland“ als Motto für einen weltweit ausgeschriebenen Internationalen Erzählwettbewerb ausgesucht. Junge Menschen unter 30 hatten die Chance eine Erzählung in deutscher Sprache einzureichen. Im Ausland sollten sie leben, keinen deutschen Pass besitzen, doppelte Staatsbürgerschaft wurde akzeptiert.

 

Die Preisverleihung fand vor kurzem in der Sächsischen Landesvertretung in Berlin statt, wo Katrin Träger, die Dienststellenleiterin der Sächsischen Landesvertretung die Gäste und die beiden Gewinnerinnen begrüßte. Projektleiterin Judith Metz  von der Deutschen Gesellschaft e. V. und VDA-Bundesgeschäftsführerin Petra Meßbacher richteten ebenfalls Grußworte an die Anwesenden.

Der Schirmherr des Wettbewerbs MdB Hartmut Koschyk, Beauftragter der Bundesregierung für Auslandsfragen und Minderheiten, hielt die Laudatio für die Wettbewerbsgewinnerinnen, erzählte von deutschen Minderheiten auf sämtlichen Kontinenten, von deutschen Schulen und den Goethe-Instituten. Den 2. Platz würde die deutsche Sprache weltweit als Fremdsprache einnehmen.

Die drei Siegerinnen wurden in der Sächsischen Landesvertretung in Berlin geehrt, zwei der jungen Erzählerinnen waren sogar nach Berlin gereist.

Den 1. Preis bekam Anna German (Russland) für ihre Erzählung „Schläft ein Lied in allen Dingen“. Sie schrieb unter anderem: „…Nicht weniger freuen mich die deutschen Laute. Wenn ich sie ausspreche, fühle ich, dass sie meine Stimmbänder, Lippen und Zunge anders bewegen, und höre, wie sich die Stimme ändert. Und jeder Laut bringt besondere Gefühle mit: Das zärtliche 'L' ist weich und fein, das bescheidene 'Ch' flüstert geheimnisvoll oder lacht leise und kokett:…Wenn ich am Morgen mit deutschen Wörtern aufstehe, fühle ich, dass meine Welt immer größer wird und ich immer glücklicher“.

Anna German wurde 1992 in Kasli am Rande des Südurals in Russland geboren, besuchte das Gymnasium in Tscheljabinsk. Linguistik und Übersetzungswissenschaft studierte sie an der dortigen Universität. Der deutschen Sprache begegnete sie als kleines Mädchen zum ersten Mal bei russlanddeutschen Verwandten in Kasachstan. Anna hat Wurzeln an der Wolga und im Kaukasus. Katharina die Große hatte ihre Vorfahren im 18. Jahrhundert nach Russland gelockt. In der Familie wurde kein Deutsch gesprochen. Englisch und Deutsch wählte sie in der Schule als Fremdsprachen. Eine Meisterin dieser Sprachen ist sie geworden, verschiedene Stipendien für Deutschland bekam sie, Praktika machte sie ebenso. In ihrer Heimatstadt gründete sie Vereine, in denen die deutsche Sprache eine wichtige Voraussetzung ist. Brücken schlagen durch die deutsche Sprache ist ihr Wunsch.

Den sprach die Jury der Bulgarin Mariele Kircheva zu, die 1985 in Varna am Schwarzen Meer geboren wurde, heute in Sofia lebt, keine deutschen Vorfahren hat, inzwischen ihren Master im Internationalen  Alternativtourismus und den Bachelor für Regie bei Film und Fernsehen an der Universität in Sofia abgeschlossen hat. Mit 14 Jahren hat sie in der Schule begonnen die deutsche Sprache zu erlernen. Mariele konnte nicht in Berlin dabei sein und Hartmut Koschyk, der Schirmherr des Internationalen Wettbewerbs, las einen Abschnitt aus ihrem prämierten Text „Eine Reise nach Berlin“ vor.

Auf den dritten Platz kam die 1991 in Sathmar geborene Cyntia Enikö Hobor. In den deutschen Kindergarten schickten sie die Eltern, das Deutsche Lyzeum „Johann Ettinger“ in Sathmar beendete sie und ging auf die Universität nach Klausenburg. Zwischenzeitlich nahm sie an einer sechswöchigen Fortbildung für Germanisten in Heidelberg teil und entdeckte die Spuren von Eichendorff, der in Heidelberg vor einhundertfünfzig Jahren studiert hatte. Vor dem Gedenkstein des berühmten Dichters am Philosophenweg, ließ sich Cyntia fotografieren, ein schönes Foto entstand und ihr Artikel „Eine Reise mit Klang“. An der Friedrich Schiller Universität in Jena hat sie sich für vier Semester eingeschrieben, studiert dort Auslandsgermanistik, wird das Studium mit dem Master beenden. „Europa macht Schule“ ist ein deutschlandweites Projekt, an dem sie als Studentin der thüringischen Universität mit großem Eifer und Engagement teilnimmt. Promovieren möchte sie in Deutschland und  an ihre Heimatuniversität Babeș-Bolyai nach Klausenburg zurückkehren. Dort  möchte sie zukünftig arbeiten, ihre akademische Laufbahn fortsetzen und ihr erworbenes Wissen vermitteln. Bereits als Studentin bekam sie Preise und Auszeichnungen für ihren Fleiß und ihr ausgezeichnetes Wissen von verschiedenen Fakultäten der  Klausenburger Universität. Sie erwähnt in ihrem Lebenslauf, dass ihr gesamter Erziehungs- und Bildungsweg von der deutschen Kultur geprägt ist, dass sie diese Kultur bereits seit ihrer Geburt begleitet, dass sie aus einer  Familie mit deutschen Wurzeln stammt, dass sie im nordwestlichen Gebiet Rumäniens groß geworden ist, in der Bewohner schwäbischer, ungarischer und rumänischer Herkunft zuhause sind.

„Die Reise mit Klang“, erinnert an die Wochen in Heidelberg. Ein Auszug aus dieser sehr poetischen zweiseitigen Geschichte ihres eigenen Seelenlebens, verbunden mit der alten Stadt am Neckar spricht für sich selbst: „..Kann ich tatsächlich Wertvolles leisten? In diesem Grübeln hört es sich wispern: 'Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt er in die weite Welt'. Ich zucke vor Staunen und Überraschung zusammen, fühle die Verantwortung, die mir diese Worte verleihen, und suche nach der Quelle dieser zart klingenden Stimme. Als würde sie meine Gedanken lesen, muntert mich die Stadt Heidelberg mit diesen Versen Eichendorffs auf. Sie klingen mir in den Ohren auf meinem Wanderweg durch die engen Gassen der Altstadt, den Arkaden des Schlosses und den Pfaden des Philosophenweges. Bei jedem Schritt kommt mir eine noch unbekannte, aber trotzdem vertraute Seele entgegen, wir teilen ja dasselbe Schicksal: Wir sind lebendige Denkmäler der eigenen Kultur …“. 

In einer festlichen heiteren Veranstaltung vereinte die deutsche Sprache in der Adventszeit, in der Mitte Berlins, im ältesten historischen Teil der wieder gewonnenen Metropole.

Christel WOLLMANN-FIEDLER

 

 

Die beiden Preisgekrönten Anna German aus Kasli in Russland (links), und Cyntia Enikö Hobor aus Sathmar in Rumänien (rechts) mit dem Bundesbeauftragten Hartmut Koschyk (Bildmitte).            Foto: die Verfasserin

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Gesellschaft.