Ausgabe Nr. 2405
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Cătălin Dorian Florescu auf Lesereise
Vier Monate lang erkundete der in Rumänien geborene Schweizer Autor Cătălin Dorian Florescu Berlin, schrieb an Geschichten und einem neuen Roman. Ein Stipendium des Kantons Zürich machte es möglich. Bei Uslar & Rai, einer wunderbaren neuen Buchhandlung in der Schönhauser Allee in Prenzlauer Berg, erzählte Florescu am Abend des 30. September, über sich, über Rumänien, die Mythologien und Menschen in den Bergen, den Karpaten, den Dörfern des Banats oder des Donaudeltas, berichtete vom großen Kulturreichtum dieses Landes, das in Westeuropa kaum eine Rolle spielt. Er erzählte es den Zuhörern, und dem Moderator von Deutschlandradio Kultur, Vladimir Balzer.
Die Figuren in Florescus Romanen, die es gab und gibt, sind Kinder ihrer Zeit, die Alten erzählen den Jungen, erzählen von damals, dem Gewesenen, erzählen Geschichten aus ihren Dörfern und ihrem Leben. Nicht nur Straßenkinder und „Draculas“ gibt es im Land seiner Ahnen. Eine zärtliche Liebe zu Rumänien hat er, sieht auch die Mängel in dem Land, durch das die Römer zogen. Großzügig sollte man sein, wenn man es kennen lernen will. Verschwenderisch ist Florescu an dem Abend bei Uslar & Rai, er erzählt, weil er es gerne tut. Bevor sich die Zeit unter Ceaușescu verschlechterte, floh die Familie in den Westen, in der Schweiz lernte er relativ schnell die hochdeutsche Sprache! Ihm fiel die Schweiz zu, wie ein Lottogewinn, meint er, der Schriftsteller. Stipendien jedweder Art führten ihn in Länder, in denen er Figuren mit großen Herzen traf, so vor Jahren in Washington. Die dreihundertjährige Geschichte der USA lernte er in Windeseile, erfuhr über die Missernten der Iren, die Armut in Galizien und vieles mehr.
„Wo schlägt Ihr Herz?“, wird er gefragt. „In beiden Ländern!“ Rumänien und auch die Schweiz seien ihm wichtig, doch wenn die Nabelschnur zu Rumänien getrennt worden wäre, hätte er seine Bücher nicht schreiben können, erklärt uns Cătălin Dorian Florescu und liest Episoden aus seinem Roman „Zaira“ (2008).
Am Tag darauf flog er nach Bukarest und fuhr dann durchs Land nach Temeswar. Hier vertrat er am 23. Oktober die Schweiz beim Internationalen Literaturfestival mit einer Lesung. Davor hatte er am 21. Oktober in Kronstadt gelesen. Ende November kommt die rumänische Fassung seines Romans „Jacob beschließt zu lieben" bei Polirom heraus.
Christel WOLLMANN-FIEDLER
Cătălin Dorian Florescu bei Uslar&Rai.
Foto: die Verfasserin