„Ein Theater, das nie schläft“

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Ausgabe Nr. 2398
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Spielzeitbeginn am Radu Stanca-Nationaltheater in Hermannstadt

 

Mit der Vorpremiere des Stückes „Marat/Sade“, eine Adaptation des Textes „Die Verfolgung und Ermordung Jean Paul Marats dargestellt durch die Schauspielgruppe des Hospizes zu Charenton unter Anleitung des Herrn de Sade“ von Peter Weiss, in der Regie von Charles Müller, eröffnete das Radu Stanca-Nationaltheater Hermannstadt am Sonntag seine neue Spielzeit.

 

Die Inszenierung ist eine Koproduktion des Theatre d’Esch Luxemburg und des Radu Stanca-Nationaltheaters, und erzählt die Geschichte eines Versagens: das Versagen einer politischen Utopie und die Aussichtslosigkeit der individuellen Freiheit.

Das Stück stellt mit sehr grosser Genauigkeit  die Zeit der französischen Revolution dar, die politischen Persönlichkeiten, einerseits Sade, ein Skeptiker, der die Idee der revolutionären Veränderung nicht wahrnimmt und andererseits Marat, der von den politischen Unruhen profitiert und stark an die Kraft der Arbeiterklasse glaubt.  Die Antwort auf diese Unruhen fand Peter Weiss nach 1965 im Sozialismus.

Das Stück basiert auf der wahren Geschichte der Ermordung Jean Paul Marats, auf der Existenz des Hospizes Charenton, auf historische Fakten der napoleonischen Zeit und auf einer vielseitigen Fantasie des Schriftstellers.

Es war ein kräftiger und mutiger Start in die neue Spielzeit, mit Marius Turdeanu als Marquis de Sade, Adrian Matioc als Jean Paul Marat und Diana Fufezan als Charlotte Corday in den Hauptrollen. Die Unzufriedenheit mit der politischen Klasse – ein stets aktuelles Thema – ist für den Zuschauer greifbar gestaltet. Nicht aber nur der Unzufriedene wird im Stück sein Spiegelbild erkennen. Denn Unzufriedenheit und Aufruhr gehen Hand in Hand. So spricht der Text auch den revolutionären Nerv im Publikum an.

Charles Müller, seit September 2004 Direktor des Theaters in Esch-sur-Alzette in Luxemburg hat schon 2009 das Stück „Endspiel“ ebenfalls am Radu Stanca-Nationaltheater inszeniert  und befasst sich seit fünf Jahren mit dem Stück „Marat/Sade“.  

Bei einer Pressekonferenz am Mittwoch der Vorwoche, gab Intendant Constantin Chiriac bekannt, dass das Radu Stanca-Nationaltheater für die neue Spielzeit 15 Premieren, davon  sechs an der deutschen Abteilung, vorbereitet hat. Am 1. Oktober „Marat/Sade“, am 2. Oktober die Premiere des Stückes „Amadeus“ von Peter Shaffer in der Regie von Gavriil Pinte, an der deutschen Abteilung, am 3. Oktober die Premiere des Stückes „Die Unterrichtsstunde“ von Eugéne Ionesco in der Regie von Mihai Măniuțiu, und am 4. Oktober „De ce Hecuba?!“ (Warum Hekate?) von Matei Vișniec in der Regie von Anca Bradu. Am 25. Oktober präsentiert die deutsche Abteilung die Premiere des Stückes „Tattoo" von Igor Bauersima und Rejane Desvinges in der Regie von Radu Afrim.

Für 2015 nimmt sich das Ensemble der rumänischen Abteilung des Radu Stanca-Nationaltheaters vor, die Stücke „Geister in Kitahama“ von Abe Kobo in der Regie von Kushida Kazuyoshi, „Nathan der Weise “ nach Gotthold Ephraim Lessing in der Regie von Armin Petras, eine Koproduktion der rumänischen und deutschen Abteilung, des Stuttgarter Ensembles und des Nationaltheaters Oslo, „Die Nacht der Narren“ von Alexa Visarion, eine Adaptation nach Texten von Tschechow und Shakespeare, sowie „Rosmersholm“ von Ibsen in der Regie von Anrdryi Zholdak  aufzuführen.

Die deutsche Abteilung stellt im Jahr 2015 dem Hermannstädter Publikum die Premieren der Stücke „Ein Bett voller Gäste“ von Dave Freeman in der Regie von Şerban Puiu, „Die Firma dankt“ von Lutz Hübner in der Regie von Cristi Popescu, „Der zerbrochene Krug“ von Heinrich von Kleist, eine Koproduktion der Deutschen Abteilung und des Theaters Ecce aus Salzburg,  in der Regie von Reinhold Tritsche, und eine Premiere eines Stückes, das noch bestimmt werden soll, in der Regie von Daniel Plier vor.

Abgesehen von dieser schon sehr vollen Agenda der beiden Abteilungen des Radu Stanca-Nationaltheaters,  werden zahlreiche Tourneen in Rumänien und ins Ausland unternommen. Die deutsche Abteilung wird am 13. November 2014 in Temeswar„Ossis Stein“ von Frieder Schuller in der Regie von Daniel Plier aufführen. Zwischen dem 23. und 27. März geht die deutsche Abteilung auf Tournee nach Bruchsal, wo drei Inszenierungen von Daniel Plier gezeigt werden: „Ossis Stein“, „Tagebuch eines Wahnsinnigen“ von Gogol mit Wolfgang Kandler  und „Panik“ von Mika Myllyaho.

Constantin Chiriac bestätigte auch, dass das Programm des Internationalen Theaterfestivals für das Jahr 2015 schon feststehe. Chiriac sagte: „Das RST ist ein Theater, das nie schläft". Gefragt, ob die Kunst des Theaters und des Schauspiels Mentalitäten ändere, antwortete Chiriac schlagfertig: „Selbstverständlich! Das Theater ist ein Raum der Freiheit. Kultur ist nicht etwas, das Geld verschlingt, sondern das gewisse Etwas, das spirituellen Gewinn bringt“.

Die Überraschung des Jahres 2014 bleibt aber die zukünftige enge Zusammenarbeit zwischen dem Radu Stanca-Nationaltheater und dem Gong-Theater für Kinder und Jugendliche, dessen neuer Leiter, Adrian Tibu, für die Öffentlichkeitsarbeit des Radu Stanca-Nationaltheaters zuständig war. Abgelöst hat Tibu nun Daniela Plopeanu.

Wenn laut Intendant das Radu Stanca-Nationaltheater nicht schläft, dann schlafen mit Sicherheit auch die Studenten der  Schauspielabteilung der Lucian Blaga-Universität Hermannstadt nicht, die auch einige neue Produktionen für das Jahr 2015 vorbereitet haben.

Dank der großzügigen Sponsoren des Theaters, allen voran Ambient, Hotel Ibis, BCR und Carpatica Bank, bleiben die Eintrittspreise bei den verschiedensten Aufführungen unverändert bei 20 Lei und 15 Lei mit Ermäßigung für Schüler, Studenten oder Rentner und werden sich in der nahen Zukunft auch nicht ändern.

Eintrittskarten kann man im Internet unter www.eventim.ro erwerben sowie in Hermannstadt bei der Agentur in der Heltauergasse oder in  den Humanitas-Buchhandlungen kaufen.

Monika TOMPOS

 

Foto 1: Pressekonferenz mit Bühnenbildner Dragoș Buhagiar, Intendant Constantin Chiriac  und Regisseur Charles Müller (v. l. n. r.).

Foto: die Verfasserin

 

Foto 2: Szenenbild aus Marat/Sade".                          

Foto: Dragoș DUMITRU

 

 

 

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Kultur.