Kulturerbe als Gabe und Aufgabe

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Ausgabe Nr. 2395
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Einweihung von Kirchenburg und Orgel in Kleinschenk

 

Nach langjähriger Restaurierung wurden am 16. August d. J. die Kleinschenker Kirchenburg und die historische Orgel eingeweiht. Über 150 ehemalige Kleinschenker nutzten die Gelegenheit, aus Deutschland zu kommen, um bei diesem Fest dabei zu sein. Mehr als 400 Gäste feierten zusammen. Der Verein der Freunde und Förderer Contrafort Pro Kleinschenk/Cincșor, am 29. Juli 2009 gegründet,  beging ebenfalls ein kleines Jubiläum…

 

 

Nassim Nicholas Talebs Buch „Der Schwarze Schwan. Die Macht höchst unwahrscheinlicher Ereignisse" ist dem „Unsinn von Wirtschaftsprognosen" (manager magazin) gewidmet, man könnte es aber auch auf die Zukunft selbst anwenden, die eigentlich nicht prognostizierbar ist. Diesen besagten „schwarzen Schwan" beschwor Carmen Schuster, die den Contrafort-Verein gegründet hatte,  in ihrer Ansprache bei der Wiedereinweihung der sanierten Kirchenburg und der restaurierten Orgel in Kleinschenk herauf.   Sie stellte fest, dass viele berechtigte Zweifel angemeldet hatten, als sie sich 2008 entschloss, in ihrer Heimatgemeinde aktiv zu werden, um dem weiteren Verfall der Evangelischen Schule, des Pfarrhauses, der Kirchenburg, Einhalt zu gebieten. Sechs Jahre danach könne man sagen, Kleinschenk sei ein „schwarzer Schwan", ein Ereignis, mit dem aller mathematischen Wahrscheinlichkeit nach nicht zu rechnen gewesen sei und das trotz allem stattfinden konnte. Sie dankte dem Landeskonsistorium der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien für die Aufnahme der Kleinschenker Kirchenburg in das EU-Kirchenprojekt, aber auch den rumänischen Behörden, die Mut bewiesen hätten, „sich für sächsische Werte zu öffnen". Ihr Dank ging an alle, die mit ihrer Professionalität an diesem Projekt beteiligt waren, das zu einer „mustergültigen Restaurierung" der Kirchenburg geführt hat, den Mitgliedern des Contrafort-Vereins, und allen Vertretern der Heimatortsgemeinschaft Kleinschenk, die sich eingesetzt haben.

Im Namen der HOG Kleinschenk dankte Gretel Theil „für die Kerze, die Carmen angezündet hat" und rief alle dazu auf, dazu beizutragen, „dass das Licht in der Kirche nicht erlösche".

Allerdings verdanke man diesen Tag mehreren Wundern,  hatte Pfarrer Stefan Cosoroabă, Leiter des Tourismus-Projekts „Entdecke die Seele Siebenbürgens" im Vorfeld gesagt. Zunächst den Menschen, die nicht aufgegeben haben und nicht sagten „es ist alles aus". Wer hätte denn 1990, als die Mehrheit der Evangelischen Kleinschenk verließen,  noch an einen Gottesdienst wie diesen in der Kleinschenker Kirche gedacht, fragte Cosoroabă. Als Wunder bezeichnen könne man auch die Tatsache, dass die Kirchenburg Kleinschenk in ein europäisches Projekt eingebunden worden ist, und nicht zuletzt habe „Gott eine Tochter Kleinschenks berufen, sich einzubringen", nämlich Carmen Schuster.

Altbischof Christoph Klein fragte in der Predigt auch: „Was geht in uns vor, wenn wir nach Jahren diese wunderbare Orgel wieder erklingen hören? Worüber staunen wir? Wir staunen darüber, was sich hier in Kleinschenk alles getan hat: Das Pfarrhaus wurde renoviert und der Begegnung und der Gemeinschaftspflege gewidmet, die ehemalige Schule ist mit Leben erfüllt worden und vieles andere mehr." Das reiche Kulturerbe, auch hier in Kleinschenk sei eine Gabe. Diese Gabe sei ihrerseits eine Aufgabe, diese „Schätze zu bewahren, zu erneuern und sie nutzbar zu machen für die Gemeinschaft". Es handele sich nämlich nicht nur um museale Objekte, sondern um Orte der Begegnung: „Solche Kirchenburgen sind weiterhin Stätten, in denen die Herrlichkeit Gottes wohnt. Auch dort, wo nur noch selten Gottesdienst gefeiert werden kann. Diese Kirchenburgen haben Öffentlichkeitscharakter, sie sind repräsentativ für die gesamte Ortschaft, sie stehen im Zentrum, sind Orientierungspunkt, Wahrzeichen, Visitenkarte und haben auch dadurch ökumenischen Charakter. Sie sind anvertraute Pfunde, mit denen wir wuchern müssen". Auch Altbischof Klein stellte fest: „Wir haben es mit einem Gott der Überraschungen zu tun".

Dem pflichteten auch die Vertreter der orthodoxen Kirche und der Gemeinde der Evangeliumschristen bei und auch Leonard Orban, Kulturbotschafter der Kirchenburgen. Orban sagte, dieses Ereignis gebe Hoffnung, dass die Siebenbürger Sachsen im europäischen Kontext einen neuen Platz gefunden haben, nach einem wenn auch „schmerzhaft" verlaufenen Transformationsprozess. Orban schloss mit den Worten: „Es hängt von uns allen ab, die positive gemeinsame Geschichte fortzuschreiben."

Der Vorsitzende des Siebenbürgenforums, Martin Bottesch, unterstrich seinerseits: „Es ist großartig, was hier geleistet wurde und es ziemt sich, auch die Hilfe derer zu würdigen, die anderswo leben, sowie die große Rolle der Heimatortsgemeinschaften für die Orte in Siebenbürgen hervorzuheben." Man unternehme immer mehr gemeinsam und man darf hoffen, dass bei allem „Nachhaltigkeit bestehe".

Die Kuratorin Gerda Theil sprach zunächst aus, was ihr am Herzen liegt. Sie dankte allen, die „uns von Deutschland aus unterstützt haben", aber auch der Landeskirche und vor allem Gott für das gute Zusammenleben und die gute Zusammenarbeit aller Beteiligten.

Die restaurierte Samuel-Maetz-Orgel stellten Ferdinand Stemmer und Barbara Dutli von der Honigberger Orgelbaulehrwerkstatt kurzweilig wie gewohnt vor. Die Organistin Ursula Philippi zog im wahrsten Sinne des Wortes alle Register dieses Ausnahme-Instruments.

Passend zu dem Namen des von Carmen Schuster initiierten Vereins „Contrafort" (zu Deutsch: Stützpfeiler), moderierte nach dem Gottesdienst Musikwart Kurt Philippi das Konzert des Ensembles Cantate Domino. Er benannte die Stützpfeiler im Chorraum auf Grund der fünf Stücke, die bei dem Konzert zu Gehör gebracht wurden: den Stützpfeiler der „unbeschwerten Lebensfreude" stelle das Tripelkonzert für Oboe, Oboe d'amore, Violine und Orchester von Carl Christian Friedrich Fasch (1736-1800), einem Zeitgenossen des Orgelbauers Samuel Maetz, dar; den „Lob- und Dankpfeiler" ließ die Sopranistin Melinda Samson mit Mozarts Solomotette für Sopran und Orchester, „Exsultate, jubilate" KV 165 erklingen; einen „Klagepfeiler" nannte Kurt Philippi ein von Ursula Philippi vorgetragenes kurzes Orgelstück aus dem von Michael Dressler 1855 verfassten Orgelbuch; das Duett und der Choral aus der Kantate „Ärgre dich, o Seele nicht" BWV 186 von Johann Sebastian Bach bildete den „Stützpfeiler des Trostes", dargeboten von den vier Gesangsolisten Melinda Samson, Liliana Bizineche (Mezzosopran), Wilhelm Schmidts (Bass) und Zsolt Garai (Tenor); zuletzt ertönte mit  dem Choral von Bach „Wohl mir, dass ich Jesu habe" der „Stützpfeiler der Zuversicht".

Zuversicht verheißen wohl auch zwei Bibelsprüche, die in der Kirchenburg zu lesen sind: An der Orgelempore zu lesen ist folgender Vers aus dem 26. Psalm: „Herr ich habe lieb die Stätte deines Hauses als den Ort, wo deine Ehre wohnt"; über dem Eingang in die Kirche prangt „Glaubet ihr nicht so bleibet ihr nicht" (Jesaja 7,9).

Beatrice UNGAR

 

 

Bild links: Die Trachtenträger kleideten sich in dem ebenfalls sanierten Pfarrhaus um und stellten sich im Pfarrgarten zum Gruppenbild auf; Bild Mitte: Die Orgel; Bild rechts: Die restaurierte Kirchenburg und davor die restaurierte Schule, in der ein Begegnungszentrum eingerichtet ist.                                                                                               Fotos: die Verfasserin

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Gesellschaft, Kirche.