Ausgabe Nr. 2395
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Fred Nuss erinnert sich an Begegnungen mit Edmund Höfer (1933-2014)
Der am 27. März 1933 in Lugosch geborene Presse- und Kunstfotograf Edmund Höfer verstarb am 19. August 2014 in München. Er war 30 Jahre lang bis zu seiner Aussiedlung nach Deutschland 1988 Fotoreporter bei der Bukarester Tageszeitung Neuer Weg. Desgleichen wurden in den 1980-er Jahren Umschläge von im Kriterion Verlag Bukarest herausgegebenen Büchern der Autoren Herta Müller, Richard Wagner oder William Totok mit seinen Bildern gestaltet. Die Goldmedaille, die Höfer Mitte der 1960-er Jahre bei einem internationalen Fotowettbewerb in Wien erhielt, war die erste Goldmedaille für einen Fotografen aus Rumänien. In Hermannstadt waren zuletzt Bilder des Verstorbenen in der Ausstellung „Jüdisches Leben in Rumänien" 2005 im Teutsch-Haus zu sehen.
1968, ca. zwei Wochen nachdem die erste Ausgabe der Hermannstädter Zeitung erschienen war, sei Edmund Höfer nach Hermannstadt gekommen, um Aufnahmen zu machen in der Redaktion, im Auftrag der Tageszeitung Neuer Weg, erinnert sich der Hermannstädter Fotoreporter Fred Nuss. Die HZ-Redaktion befand sich damals im Gebäude der Bodenkreditanstalt (heute Rathaus) am Großen Ring, im Innenhof war das Fotolabor, das sich Fred Nuss und Horst Buchfelner teilten. Als er Edmund Höfer im Labor empfing, fand Nuss, er sei etwas kurz angebunden und hochnäsig. „Aber nachdem ich seine ersten Aufnahmen gesehen hatte, empfand ich nur noch Respekt für ihn, vor allem für seine Schnappschüsse", erzählt Nuss.
Höfer kam dann jeweils mindestens einmal im Monat nach Hermannstadt, um Auftragsbilder für den Neuen Weg zu machen, vor allem aus der Industrie. Weil er sich in Hermannstadt nicht so gut auskannte, bat er immer Fred Nuss, ihn zu begleiten. Dieser erinnert sich: „Im Stillen muss ich zugeben, dass ich ihm gerne auf die Hände geschaut habe. Ich habe versucht, herauszubekommen, wie er das Bild in seinem Kopf sieht, bevor er auf den Auslöser drückt. Zugegeben: Er war für mich ein Morgenstern. Besonders schätzte ich seine dynamische Art, zu fotografieren, seine Menschenkenntnis, seine Fähigkeit, mit wenig Licht auszukommen. Er war für mich ein Vorbild." Schließlich kamen sich die beiden Fotografen auch menschlich näher, Höfer war oft zu Gast bei Familie Nuss und Fred Nuss sagt, er sei der „glücklichste Mensch gewesen", da er mit einem der größten Fotografen Freund sein durfte.
Ein Erlebnis mit Höfer holt Fred Nuss aus dem „Nähkästchen" hervor, um dessen Wendigkeit hervorzustreichen: „Es war ein strenger, eisiger Winter und Mundi, so nannten die Freunde Edmund Höfer, hatte den Auftrag bekommen, ein Bild von den Hartenecktürmen zu machen. Ich war sehr neugierig, wie er das an dem nebligen Tag schaffen würde und ging mit. Vor dem alten Zinshaus blieb er neben einem Holzmast stehen und klopfte an ein Fenster. Als eine ältere Dame öffnete, fragte er sie, ob sie Enkel hätte. Als sie bejahte, fragte er nach einem Stück weißer Kreide. Dies bekam er auch und zeichnete damit ein Strichmännlein auf den mit Öl gestrichenen Mast. Er sah sich um und entdeckte einige Jungen, die im Schnee spielten, rief einen herzu, gab ihm die Kreide und sagte, er solle sich so neben den Mast stellen, als ob er das Männlein gezeichnet habe und stolz darauf sei. Der Junge diente als Vordergrund und Mundi hatte auch den Töpferturm ins Visier genommen. Mundi machte auch einige Fotos mit dem Mast im Vordergrund. Ich durfte den Film im Labor entwickeln und war verblüfft, wie gut die Atmosphäre eingefangen worden war. Eines der Bilder ohne Jungen wurde dann in dem Bildband 'Sibiu' abgedruckt, der 1968 im Meridiane Verlag erschienen ist, mit einem Text von Paul Schuster."
Beeindruckt war Nuss aber vor allem von den 80 großformatigen Porträts, die Höfer zu Beginn der 1970-er Jahre im Alten Rathaus in Hermannstadt ausgestellt hatte. „Die Dramatik dieser Porträts hat dermaßen auf mich gewirkt, dass ich mir wünschte, einmal auch so eine Ausstellung zu machen", gibt Nuss heute zu.
Nuss meinte im Stillen auch, dass die guten Fotos seines Bukarester Kollegen auf die gute Ausstattung und die guten Filme zurückzuführen seien, die dieser zur Verfügung hatte. Ein weiteres Erlebnis sollte ihn eines Besseren belehren.
Höfer kam eines Tages zu ihm und sagte, er habe einen dringenden Auftrag bekommen, in der Virola-Fabrik einige Fotos zu machen, und in der Eile seine Kamera in Bukarest vergessen. Nuss gab ihm eine alte 6×6-Flexaret und wünschte ihm Glück. Nach einer Stunde kehrte Höfer ins Labor zurück und Nuss staunte, nachdem er die Filme entwickelt und einige Aufnahmen vergrößert hatte: Höfer hatte einen Schweißer fotografiert, der an einem großen Rohr arbeitete, das Bild wurde, so Nuss, berühmt und auch preisgekrönt.
An diesem Tag habe er sich geschworen, sagt Nuss, nie mehr nachzufragen, mit welcher Kamera denn ein Bild entstanden sei. Er habe gelernt: „Der Apparat soll gut sein, aber der Fotograf muss besser sein."
Edmund Höfer hat dies auch in einem Herta Drozdik-Drexler gewährten Interview bestätigt. Auf die Frage „Ist, wer die bessere technische Ausrüstung hat, auch schon der bessere Fotograf?" antwortete er: „Es kommt nicht nur auf die Kamera an. Natürlich spielt die Qualität der Ausrüstung eine Rolle. Mit Hermann Heels Leica zu fotografieren war für mich schon ein besonderes Gefühl. Ich konnte damit bessere Bilder machen, als mit einem gewöhnlichen Apparat. Vom heutigen Stand der Technik gar nicht zu reden. Aber man muß mit dieser Technik auch umgehen können. Das allein genügt jedoch noch nicht. Die Allgemeinbildung spielt eine Rolle. Noch wichtiger ist Kunstverständnis. Man muß sich für Kunst interessieren, für Bildhauerei, Malerei, Musik, man muß die Kunstszene kennen, muß auf dem laufenden sein mit den Entwicklungen in der Kunst. Man braucht ein Gespür für gute Schnappschüsse, die man oft gewissermaßen voraussehen kann. Sinn für Humor kann nicht schaden. Man muß Einfälle haben, Phantasie. Und wohl auch das, was man Talent nennt und von Mutter Natur geschenkt bekommt."
Möge er in Frieden ruhen!
Beatrice UNGAR
Das von Fred Nuss erwähnte Bild mit Strichmännlein und Töpferturm im verschneiten Hermannstadt (Bild links) findet man in dem Bildband „Sibiu", der 1968 im Bukarester Meridiane Verlag mit einem rumänischen Text von Paul Schuster erschienen ist (Bild rechts).