„Tanz mit dem Jahrhundert“

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Ausgabe Nr. 2386
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Internationale Tagung zum 100. Geburtstag von Gregor von Rezzori  in Paris

 

Unter dem Titel Gregor von Rezzoris „Tanz mit dem Jahrhundert" fand in Paris etwas verspätet zum 100. Geburtstag eine internationale Tagung von Spezialisten für Spezialisten statt, veranstaltet von Fried Nielsen. Mosaikartig kam das Bild einer schillernden Persönlichkeit zutage, eines Wanderers zwischen den Welten, dessen Name früher allgegenwärtig war und heute etwas vergessen ist. Aber solche Kolloquien sollen ja gerade Schriftstellern beim Überleben über den Tod hinaus helfen. So können auch diese Zeilen nur ungeordnet einige Ideen wiedergeben von dieser reichen und fruchtbaren Evokation eines Mannes, der nirgendwo und gleichzeitig überall zuhause war.                                    

   Er hat an Drehbüchern fürs Kino mitgearbeitet (Rolf Thiele), kurze Rollen gespielt, u.a. in Louis Malle's Privatleben und Viva Maria. Sein Tagebuch über die Dreharbeiten („Die Toten auf ihre Plätze", über  die Rivalität zwischen Brigitte Bardot und Jeanne Moreau) war ein Bestseller, man kennt seine vielfältige journalistische Tätigkeit und seine Bücher („Blumen im Schnee" wurde sehr oft genannt). Es gab auch Referenten aus Rumänien, wie die Universitätsprofessorin Mariana-Virginia Lăzărescu (Bukarest), die über Rezzoris Lektüren sprach, der zunächst kunterbunt durcheinanderliest. „Ich entzog mich der Welt durch literarische Auffassung. Ich hatte keine Lebensangst. Ich fasste mein Leben literarisch auf". Und er sieht sich später als Schriftsteller nur als Amateur „nur in den Maghrebinischen Geschichten habe ich den Ton getroffen, der erwartet wurde". Gegen Ende seines Lebens, schon bettlägerig,  las er täglich bis zu zwanzig Stunden.

Rezzoris wunderbare Formulierungen kamen in vielen Zitaten (Kain, Faust, Aristide) vor, die der Germanist Andrei Corbea-Hoișie in seinem Referat anführte, z.B. „Einfrierung der Welt durch das Hitlerwetter". Der Versuch von einer Vergangenheit zu erzählen, die unwiederbringlich ist, durchzieht das Werk von Gregor von Rezzori. „Ein Hermelin in Tschernopol" ist die Verklärung der habsburgischen Welt, die unvergleichliche Atmosphäre in Galizien, Czernowitz, mit seinen verschiedenen Ethnien, Religionen und Sprachen. Da Paul Celan und Rose Ausländer heute mehr zitiert sind, spricht man mehr von der ukrainischen als der rumänischen Bukowina. Die „Maghrebinischen Geschichten" produzieren ein Mythenland, das nur in der allerdings als wirklich empfundenen Welt des Autors besteht, eine Mythopoetik über das verlorene Paradies. Autobiographisches wechselt mit Phantasien und wird in späteren Romanen kommentiert. Alles autobiographisch? Rezzori erzählt schon von der Vergangenheit bevor sie eigentlich da ist, war eine der hier gehörten Thesen, Epochenverschleppung eine andere, ja Rezzori spricht selbst davon in „Greif zur Geige, Frau Vergangenheit", oder in seinen Memoiren „Mir auf der Spur" bzw. „Was ich hier betreibe ist Urzeitforschung". Später ist es, als ob der Schriftsteller sich langsam seiner eigenen Mythologie entzieht und in „Greisengemurmel" und im „Schwan" unerbittlich mit sich selbst abrechnet.

Man hat versucht, ihn politisch festzulegen, aber seine Selbstironie verwischt ständig die Spuren. Man konnte auch einer späten Versöhnung, oder besser Normalisierung, beiwohnen. Ezzelino von Wedel, der jüngste Sohn von Rezzori, wie all seine (vielen?!) Kinder zu Lebzeiten fast kriminell vernachlässigt oder ignoriert, interessiert sich heute für das Werk seines Vaters und gab einige Hinweise zu Rezzori, der bis zum 50. Lebensjahr (seiner ersten Heirat) wie ein 'wildgewordener Junggeselle' gelebt hat und zur Rolle des Dandys, die er lange gespielt hat („ein Dandy ist ein Höfling ohne Hof", sagte Rezzori einmal) und wie er ständig darum bemüht war, einen Adelstitel zu bekommen. Er hat sich keine Hemmungen auferlegt, machte was er wollte mit großem Appetit aufs Leben und fuhr einige Zeit einen Jaguar mit 3,8 l Motor, von denen es damals nur drei in Deutschland gab.                                         

Wo gehörte Gregor von Rezzori hin? Vielleicht nach Italien, wo er sich nicht nur als Gast fühlte und in den letzten Jahren seines Lebens wohnte. Oder doch weiter östlich? In dem am Ende gezeigten österreichischen TV-Portrait „Der fröhliche Ketzer" aus dem Jahr 1994  sieht man den damals 80-jährigen in Krakau, wo das Zusammentreffen von West und Ost und die Erinnerung an k und k noch heute spürbar bleibt, wo Czernowitz nur noch eine Museumsstadt ist.              

Claus REHNIG

 

Eine spannende Hommage

Erste Gregor von Rezzori-Bibliografie im Kieler Nieswand Verlag erschienen

 

Diese Bibliografie ist die erste, aber sicherlich nicht die letzte. Im Archiv des Norddeutschen Rundfunks schlummern zahlreiche Tonaufnahmen Rezzoris, die es wert wären, veröffentlicht zu werden. Seine glänzend geschriebenen Reisereportagen sind in vielen Zeitschriften weit verstreut. Kochrezepte, in rumänischer Sprache geschrieben, sollen in diesen Tagen erscheinen". Dies schreibt der Herausgeber der ersten Gregor von Rezzori-Bibliografie, Fried Nielsen, Kulturattaché an der Deutschen Botschaft in Paris, in seinem Vorwort.

Die im Kieler Nieswand Verlag erschienene Bibliografie liest sich wie eine spannende Hommage an den am 13. Mai 1914 in Czernowitz geborenen Schriftsteller. Neben strikt bibliografischen Angaben, wie einer bebilderten Auflistung der Werke, der Übersetzungen und der Sekundärliteratur  wird Rezzori auch als Drehbuchschreiber  und Schauspieler vorgestellt und eine Reihe von Autoren widmen sich dem facettenreichen Leben und Werk Rezzoris.

So schreibt Fried Nielsen über „Gregor von Rezzori im Antiquariat". Der Journalist Markus Bauer, der sich seit Jahren mit dem Werk Rezzoris beschäftigt, verfasste zwei Beiträge zum Leben des Autors. Der Historiker und Publizist Johannes Willms, ein begeisterter Rezzori-Leser zitiert in seinem Beitrag „Immer sich selber auf der Spur" Rezzori, der die 1918 erfolgte Übernahme von Czernowitz durch Rumänien kommentierte: „man sah im rumänischen Zwischenspiel kaum mehr als eine Umkostümierung der ohnehin operettenhaften Staffage. (…) Meine Heimatstadt hat Weltruhm erworben als Schmelztiegel eines guten Dutzends von ethnischen Gruppen, Sprachen, Glaubensbekenntnissen, Temperamenten und Lebensgewohnheiten, wo sie zum Amalgam eines quintessentiellen Schlawinertum ausgebrodelt und sublimiert wurden." Der Schriftsteller und Verleger Michael Krüger, ein langjähriger Weggefährte Rezzoris, titelt seinen Beitrag „Gregor von Rezzori und die Kritik", während der Regisseur und Autor Volker Schlöndorff einen interessanten Versuch startet unter dem Titel „Ein Hermelin in Tschernopol. Heute gelesen". „Maghrebinische Zwischenräume" erkundet in seiner bewährten Art der Schriftsteller und Gefängnispfarrer Eginald Schlattner, der u. a. rein zufällig auf das Grab von Rezzoris Vater auf dem Hermannstädter Friedhof stößt. Nicht zuletzt kommt auch der jüngste Sohn des Autors, Ezzelino von Wedel, evangelischer Pfarrer und Journalist, zu Wort. In seinem Beitrag „Rezzori und das Zett" untersucht er mit viel Humor und Einfühlungsvermögen die Vorliebe seines Vaters für den letzten Buchstaben des Alphabets.

Die Fotografien von Herlinde Koelbl, Stefan Moses und Jim Rakete runden den Band ab, der hiermit nicht nur Rezzori-Liebhabern empfohlen sei.

Beatrice UNGAR

 

Fried Nielsen (Hrsg.): Gregor von Rezzori. Bibliografie, Nieswand Verlag Kiel, 2014, 84 S. ISBN 978-3-89567-041

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Kultur.