Ausgabe Nr. 2386
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64. Heimattag in Dinkelsbühl setzt Zeichen der Verbundenheit zu Siebenbürgen
Rund 20.000 Siebenbürger Sachsen haben ihren 64. Heimattag vom 6. bis 9. Juni in Dinkelsbühl gefeiert. Unter dem Motto „Heimat ohne Grenzen“ gedachten sie zweier historischer Ereignisse – der Evakuierung der Nordsiebenbürger Sachsen vor 70 Jahren und der Wende in Osteuropa vor 25 Jahren – die zu Leid, Heimatverlust, aber auch Aufbruch geführt haben. Die Siebenbürger Sachsen brachten sich in den zurückliegenden Jahrzehnten kraftvoll in die Gesellschaft ihrer neuen Heimat ein, pflegten aber ihre Kultur beherzt weiter und setzten stets neue Zeichen der Verbundenheit zu ihrer „alten Heimat“ Siebenbürgen. Aus Siebenbürgen waren diesmal mehrere Gäste angereist, die das Pfingsttreffen in entscheidenden Punkten mitgestalteten.
Höhepunkt des Pfingstfestes war der Festumzug von 2.700 Trachtenträgern, geprägt von jugendlichen Gesichtern, an dem auch Michael Skindell, US-Senator in Ohio, teilnahm, der sich stolz zu seinen sächsischen Wurzeln bekennt.
In seinem Geistlichen Wort betonte Altbischof D. Dr. Christoph Klein vor der Schranne: „Es gehört zu den schönsten Erfahrungen unserer Zeit, dass die Siebenbürger Sachsen angesichts der großen Veränderungen der letzten 25 Jahre gelernt haben und immer neu lernen, trennende Grenzen zwischen Sprachen, Kulturen und Religionen immer mehr zu überwinden. Dazu verhilft ihnen gewiss die Jahrhunderte lang gelebte Toleranz, Friedfertigkeit und Offenheit gegenüber andern und dem Andersartigen. Entscheidend beigetragen dazu haben wohl auch die schweren Heimsuchungen, die in Rumänien vor genau 70 Jahren begonnen haben. So haben sie es verstanden, sich auch Heimat über Grenzen hinweg zu bewahren. In ihrer Verwurzelung in der Kirche, im christlichen Glauben und ihren nachbarschaftlichen Strukturen haben sie Heimat erfahren auch dann, als sie verloren schien. Und sie haben erlebt, dass dies ‚nicht durch Heer oder Kraft‘, sondern durch die geistgewirkte Macht Gottes geschieht.“
Eine positive Bilanz der 25 Jahre seit Zusammenbruch des Ostblocks zog Dr. Bernd Fabritius, MdB, Bundesvorsitzender des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, in seiner Festansprache. „Wir feiern ein Vierteljahrhundert ohne todbringende Grenzzäune. Wir leben in Wohlstand und Sicherheit – es geht uns gut“, so fasste es Fabritius in seiner Ansprache bei der Festkundgebung am Pfingstsonntag zusammen. Er wehrte sich vehement gegen die Preisgabe des siebenbürgisch-sächsischen Kulturerbes und rief die Siebenbürger Sachsen auf, ihre reiche Kultur zu pflegen und sich gewinnbringend in die Gemeinschaft einzubringen. Den Rahmen fürs Mitmachen biete der Verband, der sich vielseitig für die Rechte der Mitglieder engagiere. Um das zu erreichen, sei ein kontinuierlicher Dialog notwendig und man sei auf wohlgesinnte Gesprächspartner in der bundesdeutschen und zunehmend der europäischen Politik angewiesen.
Eine solche Stimme kam aus Baden-Württemberg. Innenminister Reinhold Gall, MdL, würdigte das in Gundelsheim ansässige „bedeutendste siebenbürgisch-sächsische Kulturzentrum in der Bundesrepublik“ und den „hohen fachlichen kulturpolitischen Rang“ des Siebenbürgischen Museums. Seitens der Landesregierung sicherte der SPD-Politiker weitere Unterstützung für den Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrat zu.
Eine solche Stimme kam aus Baden-Württemberg. Innenminister Reinhold Gall, MdL, würdigte das in Gundelsheim ansässige „bedeutendste siebenbürgisch-sächsische Kulturzentrum in der Bundesrepublik“ und den „hohen fachlichen kulturpolitischen Rang“ des Siebenbürgischen Museums. Seitens der Landesregierung sicherte der SPD-Politiker weitere Unterstützung für den Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrat und die Arbeit der Landesgruppe Baden-Württemberg des Verbandes zu.
„Deutschland kann stolz sein auf seine Siebenbürger Sachsen!“ Mit diesen Worten würdigte Hartmut Koschyk, MdB, Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, deren Aufbau- und Gemeinschaftsleistung in Deutschland. Die Siebenbürger Sachsen seien zugleich ein „stabiler Brückenfaktor“ der deutsch-rumänischen Beziehungen, betonte der Vorsitzende der Deutsch-Rumänischen Regierungskommission. Der Aussiedlerbeauftragte sicherte ihnen seitens der Bundesregierung zu: „Wir werden uns weiter bemühen, das großartige kulturelle Erbe der Siebenbürger Sachsen in Deutschland und Rumänien zu erhalten.“
Ein Grußwort vor der Schranne sprach Klaus Johannis, Bürgermeister der Stadt Hermannstadt und interimistischer Vorsitzender der Nationalliberalen Partei in Rumänien. Er ging der Frage nach: Was ist ein Europäer? – „Ich denke, ein Europäer ist jemand, der, egal, wo er hingeht, seine Heimat im Herzen mitnimmt, seine Kultur und seine Traditionen, wo es geht, pflegt. Und in diesem Sinne, liebe Landsleute, denke ich, sind wir Siebenbürger Sachsen recht gute Europäer“.
Klaus Johannis und Dr. Christoph Bergner wurden für ihr außerordentliches Engagement mit dem Ehrenstern der Föderation der Siebenbürger Sachsen, des weltweiten Dachverbandes der Siebenbürger Sachsen, geehrt.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Dr. Christoph Bergner bezeichnete die siebenbürgisch-sächsische Kultur als eine der frühesten und sogar als „älteste Freiheitskultur Europas“. Das auf dem Königsboden in Siebenbürgen gewachsene Erbe zähle „zu den wertvollen Kraftquellen für die geistig-kulturellen Entwicklung unseres Kontinents“. Das Motto des Heimattages, „Heimat ohne Grenzen“, formuliere „die Aufgabe, siebenbürgisch-sächsische Kultur in Rumänien, Deutschland und Europa zu bewahren und für seine Fortschreibung in die europäische Zukunft zu sorgen“. Dass Bernd Fabritius seit der letzten Bundestagswahl Mitglied des Deutschen Bundestags sei, bedeute eine „Verstärkung“, wenn es um deutsch-rumänische Anliegen und Vertriebenenarbeit gehe. Besondere Kompetenzen bringe Fabritius als Siebenbürger Sachse auch für schwierige Aufgaben ein, etwa als OSZE-Wahlbeobachter in der Vielvölkerstadt Odessa.
Erstmals seit 1995 nahmen die Botschafter beider Länder, Werner Hans Lauk, bundesdeutscher Botschafter in Bukarest, und Dr. Lazăr Comănescu, rumänischer Botschafter in Berlin, am Heimattag in Dinkelsbühl teil. Werner Hans Lauk widmet sich mit sehr viel Empathie sowohl den in Rumänien lebenden als auch den ausgewanderten Siebenbürger Sachsen. Viele von ihnen hätten in Deutschland eine neue geografische Heimat gefunden, ohne jedoch ihre alte Heimat zu verlieren, sagte er bei der Eröffnungsveranstaltung. Auch dieser Heimattag zeige, wie sich alte und neue Heimat verbinden ließen. Die Siebenbürger Sachsen seien „Mittler, Bindeglied und Katalysator zwischen unseren Ländern und Gesellschaften, und damit Teil unserer gemeinsamen Geschichte, Gegenwart und Zukunft“. Und deshalb sei es wichtig, dass sie ihre Kultur und Identität pflegen und bewahren.
Rumäniens Botschafter Dr. Lazăr Comănescu, der inzwischen zum sechsten Mal mit viel Freude und als Freund der Siebenbürger Sachsen am Heimattag teilnahm, zeigte sich als Vertreter Rumäniens dankbar, „dass Sie den Kontakt zu uns, den Vertretern Ihrer alten Heimat pflegen“. Er sei überzeugt, „dass wir im stetigen Dialog Lösungen für bestehende Probleme finden können, und dass Offenheit und Aufgeschlossenheit von beiden Seiten der richtige Weg ist“.
Das Motto des Heimattages bringe den Wunsch einer Zugehörigkeit zu einer grenzüberschreitenden Gemeinschaft zum Ausdruck, sagte Christiane Cosmatu, Unterstaatssekretärin im Departement für interethnische Beziehungen im Generalsekretariat der rumänischen Regierung. Sie dankte Bernd Fabritius, Botschafter Werner Hans Lauk und anderen Mitstreitern für die Unterstützung der deutschsprachigen Schulen, eine Hilfe, die auch künftig notwendig sein werde.
Die Nordsiebenbürger Sachsen rückte Dr. Hans Georg Franchy, Vorsitzender der HOG Bistritz-Nösen e.V., in den Mittelpunkt seines Grußwortes. „Die Evakuierung der Deutschen aus Nordsiebenbürgen war in der Weltgeschichte eine Episode am Rande, für uns – die Betroffenen und deren Nachkommen – aber eine existentielle Herausforderung, sie war letztlich nicht nur Leid, sondern auch Erfolg.“ Die HOG Bistritz-Nösen lade ein zu Gedenkveranstaltungen am 13. September in Bistritz und am 27. September in Wels, wo jeweils auch die Partnerschaft zwischen den beiden Städten besiegelt werden soll. Die Heimatortsgemeinschaft habe entscheidend zu dieser Partnerschaft beigetragen.
Käthe Paulini, Ehrenvorsitzende der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Kanada, überbrachte Grüße aus Kanada. Ihr Besuch in Dinkelsbühl sei gewissermaßen eine „Heimkehr“, denn während ihrer zehnjährigen Amtszeit als Bundesvorsitzende sei sie, in Begleitung ihres Mannes Michael, sieben Mal beim Heimattag in Dinkelsbühl und drei Mal beim Heimattag in Wels gewesen und habe drei Gruppenreisen nach Siebenbürgen organisiert. Die Flucht und Evakuierung habe sie vor 70 Jahren als Zwölfjährige miterlebt. Diejenigen, die nach Kanada ausgewandert seien, wüssten von den Schwierigkeiten zu erzählen, mit denen jeder Einzelne in einem Land, dessen Sprache sie nicht kannten, zu kämpfen hatten. „Aber wir Siebenbürger Sachsen bleiben nicht unten, und so dauerte es nicht lange, bis wir Kontakt suchten und ein lebhaftes Gemeinschaftsleben gründeten. Ja, man kann auch in Kanada Siebenbürger Sachse sein!“
Landeskirchenkurator Friedrich Philippi, der aus Hermannstadt angereist war, richtete Grüße von Bischof Reinhart Guib aus. Dass es die Evangelische Kirche A.B. in Rumänien und auch viele Kirchenburgen „auch fünfundzwanzig Jahre nach der Wende immer noch gibt, verdanken wir denen, die sich in diesen Jahren für ihren Fortbestand haupt- und ehrenamtlich voll eingesetzt haben“, sagte Philippi. Die Kirche sei ein Teil unserer Heimat, und viele der Besucher des Heimattages seien in „unserer Kirche“ beheimatet. „Wenn wir aber eine Heimat haben wollen, dann müssen wir uns nach dem Motto: ‚Was du ererbt von deinen Vätern hast, erwirb es um es zu besitzen‘ (Goethe) auch für sie einsetzen, sie uns erwerben oder wieder erwerben!“ Unter dem Motto „Kirche ohne Grenzen“ habe sich die Evangelische Kirche A.B. diesem Gesichtspunkt in den letzten Jahren immer mehr angenähert. So sei die Mitgliedschaft für ausgewanderte Siebenbürger Sachsen neu geregelt worden, so dass sie in verschiedenen Formen ihrer Heimatkirche wieder beitreten und sie unterstützen können. Um die Beziehungen zu den Organisationen der in Deutschland und Österreich lebenden Landsleute auszubauen, ist das Referat für Institutionelle Kooperation geschaffen und durch Pfarrer Dr. Stefan Cosoroabă besetzt worden, der dankenswerterweise in der Geschäftsstelle des Verbandes in München arbeiten kann. Zu seinen „Brückenbau-Projekten zum Abbau von Grenzen“ gehöre auch das Projekt „Entdecke die Seele Siebenbürgens“. Dass zur Seele Siebenbürgens nicht nur touristische Sehenswürdigkeiten, sondern auch seine Menschen gehören, zeigte die Heimatkirche in der Ausstellung „Menschen der Diakonie“ in Dinkelsbühl.
Karl Arthur Ehrmann erlebte den Heimattag zum 15. Mal. Zum ersten Mal war er vor 22 Jahren in Dinkelsbühl, damals mit gemischten Gefühlen, weil er gerade vom Präsidenten des Sozialwerks, Willi Schiel, die Geschäftsführung der von ihm gegründeten Saxonia Stiftung übernommen hatte. Es sei etwas Neues, die Gegebenheiten in Rumänien seien nicht günstig gewesen, doch die Mentalität und die Menschen hätten sich mit den Jahren zum Positiven verändert. „Jedes Mal war der Besuch in Dinkelsbühl bei diesen sinnvollen Veranstaltungen ein Erlebnis, das mich stärkte in dem Bewusstsein, dass wir die Aufgabe erfüllen können und wollen.“ Nachdem Ehrmann nun einen Nachfolger als Geschäftsführer der Saxonia Stiftung gefunden habe, sprach er kein Grußwort, sondern richtete ein ausgesprochenes Dankeswort an alle, an die Partnerorganisationen, das Sozialwerk und den Verband, Privatpersonen und Institutionen, einschließlich an die politischen Vertreter beider Länder, denn von ihnen habe man mit den Jahren immer mehr Anerkennung und Unterstützung erfahren. „Wir glauben, damit einen bescheidenen Beitrag geleistet zu haben, dass der Stellenwert unserer Leute, unserer Vertreter, neuerdings auch unserer Politiker in beiden Ländern, so hoch ist.“
Mit dem Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreis 2014 wurden der Historiker Hon.-Prof. Dr. Konrad Gündisch und der Kunsthistoriker Dr. Dr. h.c. mult. Christoph Machat gewürdigt. In der Laudatio auf die beiden Kulturpreisträger betonte D. Dr. Christoph Klein als deren größtes Verdienst, „dass sie mit ihrer historischen Forschungsarbeit in unserer Zeit gewiss einen Beitrag zum Weiterbestand dieser Geschichte und Kultur und damit zur Zukunft der siebenbürgischen Existenz geleistet haben und weiterhin leisten“. Der Ernst-Habermann-Preis wurde an die Schriftstellerin Iris Wolff und den Musiker Steffen Schlandt überreicht. Der Siebenbürgisch-Sächsische Jugendpreis 2014 ging an Christine Greger.
Ilse Maria Reich wurde als Leiterin der Siebenbürgischen Kantorei mit der Uraufführung des „Sonnengesangs des Heiligen Franz von Assisi“ des Komponisten Heinz Acker verabschiedet und mit der Verdienstmedaille „Pro Meritis“ geehrt.
Siegbert BRUSS
Foto 1: Bernd Fabritius (rechts) überreichte Klaus Johannis den Ehrenstern der Föderation der Siebenbürger Sachsen.
Foto 2: Höhepunkt des Pfingstfestes war der Festumzug von 2.700 Trachtenträgern durch die Altstadt von Dinkelsbühl, geprägt von jugendlichen Gesichtern.
Fotos: Siegbert BRUSS