Ausgabe Nr. 2383
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Vorpremiere mit „Amadeus" in Hermannstadt
Ein Wagnis ist es schon, Peter Shaffers Stück „Amadeus" aufzuführen, nachdem 1984, also vor genau 30 Jahren, der gleichnamige Spielfilm in der Regie von Milos Forman für Furore und volle Kino-Kassen gesorgt hatte. Regisseur Gavriil Pinte beweist mit seiner Inszenierung an der deutschen Abteilung am Radu Stanca-Nationaltheater, die am Dienstag zum Spielzeitende Vorpremiere hatte, wie facettenreich dieses Stück sein kann. Die Uraufführung des Spielfilms hatte am 26. Oktober 1984 stattgefunden. Die Premiere der neuen Inszenierung ist für den Oktober d. J. geplant.
Franz Liszt soll zu dem Erfolg des musikalischen Wunderkindes Carl Filtsch aus dem siebenbürgischen Mühlbach, dem Lieblingsschüler Frederic Chopins gesagt haben: „Wenn dieser Junge zu reisen beginnt, können wir einpacken". Anerkennung spricht aus dieser Aussage aber auch eine gewisse Furcht vor der Konkurrenz.
Wohin diese Furcht führen kann, davon geht es in dem Stück von Peter Shaffer, das 1979 erstmals aufgeführt worden ist. Der Spiegel schrieb 1981 „Das Wiener Burgtheater hat am letzten Wochenende den Anfang gemacht, und bald werden auf vielen deutschen Bühnen mal wieder einem Liebling der Götter die Hosen heruntergelassen. Peter Shaffers 'Amadeus" ist dabei, der Welt-Theaterhit des Jahres zu werden." Das damalige Fazit der Rezension klingt vernichtend: „als Autor ist Shaffer selbst günstigenfalls ein Salieri. Sein Amadeus wüßte die letzte Wahrheit über 'Amadeus' angenehm lapidar zu formulieren: kunstreich marmorierte Scheiße." Angesichts dieser vernichtenden Kritik an dem Stück muss bemerkt werden, dass es auch durch den Spielfilm wirklich zu einem Kassenschlager wurde.
Man darf sich natürlich fragen, warum. Stellt es doch den genialen Komponisten Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) nicht gerade als angenehmen Zeitgenossen dar. Ja, man könnte sagen, er wird als Mensch nur von seiner exzessiven Seite präsentiert. In der Hermannstädter Inszenierung brilliert Wolfgang Kandler geradezu als Frauenheld, Trunkenbold und Frechdachs, der andererseits aber lupenreine Notenblätter abliefert und auch damit den kaiserlichen Kammerkomponisten Antonio Salieri (1750-1825) vor Neid und Schrecken verblassen lässt, der 1766 nach Wien kam und ab 1774 dieses Amt innehatte. Dazu war Salieri von 1788 Hofkapellmeister und bis 1824 Leiter der Hofsängerkapelle. Einer seiner Schüler war Franz Liszt, den wir eingangs zitierten. Als Mozart 1781 in Wien eintrifft, ist Salieri ein gefeierter Musiker. Soweit die Fakten.
Shaffer hat den Faden aufgenommen und weitergesponnen zu einem regelrechten Mozart-Krimi. Mit Erfolg. Schließlich trifft hier die von Salieri verkörperte Mittelmäßigkeit auf das Genie Mozart, dem das Komponieren scheinbar leicht von der Hand geht und der dazu noch mit seiner Art bei dem Kaiser immer beliebter ist.
Das Stück heißt zwar „Amadeus", doch dem Widersacher, dem mutmaßlichen Mörder Mozarts, Salieri, kommt eine herausragende Rolle zu. Daniel Plier ist diese Rolle wie auf den Leib gegossen, der Luxemburger Gastschauspieler und Regisseur legt eine lupenreine Leistung hin, ausgezeichnet versteht er es, die Ängste des zwischen Anerkennung und Neid schwankenden Salieri zu veranschaulichen, dessen Ränkespiel in Shaffers Vision den jungen Komponisten Mozart in den materiellen und physischen Ruin treibt. Salieris „Venticelli" (Lüftchen), sprich: Spione, schweben immer wieder auf die Bühne und kommentieren das Geschehen verschwörerisch, verleumdend. Zuletzt spricht Salieri sogar einen „Segen" aus auf die „Mittelmäßigen".
In seiner Vision des Stücks versucht Gavriil Pinte offensichtlich, die Gefahr zu veranschaulichen, die einem genialen Menschen von Seiten der weniger Begabten droht. Die Inszenierung schwankt zwischen Spiel und Ernst und setzt Schauspieler und Publikum einem Wechselbad der Gefühle aus.
Eine sehenswerte Produktion, die auch hörenswerter gestaltet werden könnte. Man sollte vielleicht das Orchester der Hermannstädter Staatsphilharmonie „ins Boot holen", das die musikalischen Leckerbissen aus Mozarts Werk spielen könnte. Möglich wäre das wohl.
Beatrice UNGAR
Vorpremiere: „Amadeus" von Peter Shaffer in der Regie von Gavriil Pinte brachte die deutsche Abteilung des Radu Stanca-Nationaltheaters Hermannstadt als Vorpremiere am Dienstag heraus. Unser Bild: Szenenfoto mit Natalie Sigg (Constanze) und Wolfgang Kandler (Wolfgang Amadeus Mozart). Foto: Fred NUSS
Szenenfoto mit Wolfgang Kandler, Andrei Hansel, Johanna Adam, Daniel Bucher, Daniel Plier und Ali Deac (v. l. n. r.). Foto: Fred NUSS