Eindringliche Bilder

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Ausgabe Nr. 2380
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Zur Premiere von „Ödipus“ nach Sophokles

 

Silviu Purcărete hat es wieder geschafft. Ihm ist ein grandioses Meisterwerk gelungen. „Ödipus“ nach Sophokles wurde von der rumänischen Abteilung des Radu Stanca- Nationatheaters in Szene gesetzt und feierte am Donnerstag, dem 8. Mai, seine Premiere. Das Stück wird noch am 22. Mai, um 19 Uhr und während des Internationalen Theaterfestivals, das zwischen dem 6. und 15. Juni in Hermannstadt stattfindet, gezeigt.

 

Das Stück beinhaltet zwei Teile der „thebanischen Trilogie“ von Sophokles und zwar „König Ödipus“ und „Ödipus auf Kolonos“. In der ersten Szene ist der vergreiste Ödipus, hervorragend interpretiert von Constantin Chiriac, zu sehen, der sich im Beisein seiner Tochter Antigone – gespielt von Ofelia Popii – am Hügel Kolonos bei Athen, befindet. Dort will er um die Erlösung von seinem leidvollen Leben bitten.

Die zweite Szene führt den Zuschauer in die Vergangenheit Ödipus’. Auf der Bühne sind die Schauspieler im Look der 1920-er Jahre gekleidet und aus dem Hintergrund ertönt das Lied „Wenn die Glocken hell erklingen“ von Teddy Reno. Ödipus ist König von Theben nachdem er das Rätsel der Sphinx gelöst hat und als Belohnung die Königin Iokaste zur Frau bekommen hat. Was er jedoch nicht weiß, ist, dass Iokaste seine leibliche Mutter und der von ihm in einem Handgemenge ermordete König Laios, sein leiblicher Vater sind. Weil in der Stadt die Pest herrscht, holt er sich Rat bei einem Seher. Auf der Suche nach dem Mörder des Königs befragt Ödipus den Seher Teiresias (gespielt von Diana Fufezan). Dieser sagt zu Ödipus, seinen Kindern sei er Bruder, seinem Weib sei er Sohn und Gatte zugleich, seinem Vater sei er Erbe des Ehebetts und Mörder zugleich. Die Pest, die von Diana Fufezan als eklige mit Dreck verschmierte Mumie dargestellt wird, schlängelt sich um Ödipus, als würde er selber nach dem Erfahren der Wahrheit von der Krankheit befallen.

Als Iokaste (Ofelia Popii) die Wahrheit erfährt, dass Ödipus ihr Sohn und Mörder ihres Mannes ist, erhängt sie sich. Ödipus bestraft sich selber und sticht sich die Augen aus. Eine blutige, dramatische Szene, die zu Purcăretes Stil passt. Da wird auch Dragoș Buhagiar, der Bühnenbildner des Stückes, seinen Einfluss gehabt haben.

Im dritten Teil der Vorstellung wird das Publikum wieder in die Gegenwart entführt. Kreon (Cristian Stanca) erscheint am Kolonos und bietet Ödipus die Rückkehr nach Theben. Da Ödipus das unheilvolle Schicksal Thebens voraussieht und von seiner Selbstverbannung nicht abrücken will, verweigert er die Heimkehr. Wenig später erscheint Ödipus' Sohn Polyneikes (Ioan Paraschiv) und berichtet von seiner Vertreibung aus Theben durch seinen Bruder Eteokles, der nach Ablauf seines Regierungsjahres die Übergabe des Throns an Polyneikes verweigert. Er will seinem Vater Ödipus zurück auf Thebens Thron verhelfen, dessen Erbe er dann wäre. Ödipus jedoch verflucht den „allerschlechtesten Sohn“, der sich nie um den Vater gekümmert hat. Er prophezeit seinen Söhnen stattdessen, sich beim Streit um Theben gegenseitig zu ermorden. Das Stück endet mit dem Tod Ödipus`.

Es kann getrost behauptet werden, dass „Ödipus“ rumänisch „Oidip“, die stärkste Leistung der diesjährigen Theaterspielzeit an der rumänischen Abteilung des Radu Stanca-Nationaltheaters ist. Eindringliche Bilder und eine große schauspielerische Leistung des Theaterintendanten Constantin Chiriac machen die zeitlose Tragödie zum großen Theaterschauspiel.

Cynthia PINTER

Foto 1: Aussagekräftiges Szenenfoto mit Constantin Chiriac (Ödipus) und Diana Fufezan (die Pest").                                     

Foto 2: Starkes Bild in der Inszenierung einer zeitlosen Tragödie: Die Bewohner von Theben fürchten sich vor der Pest.      

Fotos: Sebastian MARCOVICI

 

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Kultur.