Ausgabe Nr. 2375
>
Gespräch mit der Krimiautorin Katharina Peters in Hermannstadt
„Hermannstadt hat die Latte sehr hoch gelegt", sagte Katharina Peters mit Klarnamen Manuela Kuck nach ihrer sehr gelungenen und für alle Anwesenden spannenden Lesung aus ihren Rügenkrimis in der Bibliothek des Deutschen Kulturzentrums Hermannstadt (DKH). An dieser Lesung müssten sich nun auch andere Veranstalter messen, die sie einladen werden, sagte die in Berlin lebende Autorin, deren auf Rügen spielende Krimis „Hafenmord" und „Dünenmord" auch in Hermannstadt gerne gelesen werden. „Hafenmord" wurde von den Nutzern der Bibliothek des DKH sogar zum Buch des Monats Februar gekürt. Im Vorfeld der Lesung gewährte die Autorin der HZ-Chefredakteurin Beatrice Ungar folgendes Interview:
Sie haben sich ja selbst gewundert, dass die Rügenkrimis so eingeschlagen haben hier in Hermannstadt, sie werden sehr geschätzt. Warum schreiben Sie Krimis?
Ich habe nicht immer Krimis geschrieben, ich fing an mit Erzählungen, Kurzgeschichten, Frauenromanen. Was mich immer fasziniert hat, auch wenn ich Krimis las oder im Fernsehen sah, dass ich oft dachte, so einen Spannungsbogen zu erzeugen, wie es in guten Krimis geschieht, das möchte ich auch. Ich habe immer auch gerne in anderen Genres, die ich bedient habe, versucht, eine Spannung zu erzeugen diesen Sog, dass man unbedingt wissen will wie etwas weitergeht, wie es zu Ende geht, wie es aufgelöst wird oder auch nicht. Irgendwann war ich davon überzeugt, ich kann das auch. Nicht, weil ich so gerne Leichen produziere, die interessieren mich in der Tat am allerwenigsten. Mich interessiert, wie ein Täter, ein Mörder, der immer auch ein Mensch ist, mit seinem Leben an diesen Punkt kommen konnte, dass er so etwas tut.
Es ist Fiktion, eine Recherche im Bereich der Polizeiarbeit ist aber auch notwendig?
Ich recherchiere natürlich sehr viel. Rügen ist ja nun nicht meine Heimat, meine angenommene Heimat inzwischen, weil ich regelmäßig da bin. Ich war immer fasziniert von Insel und Meer und zwar Ostsee, und nicht Nordsee. Ich mag diese etwas rauere Gegend dort auch. Es war die Aufgabe quasi, einen Regionalkrimi für Rügen zu schreiben. Parallel dazu schreibe ich unter meinem Klarnamen, Manuela Kuck, Niedersachsen-Krimis. Die laufen dort ganz gut aber das war’s auch schon. Die Gegend ist auch touristisch nicht so toll, dass man ewig und drei Tage darüber schreiben könnte. Also Rügen. Natürlich recherchiere ich, Atmosphäre tanken, rumlaufen, die historischen Begebenheiten einbeziehen. Ich schreibe keine Urlaubskrimis. Also einen Urlaubsort als Hintergrund zu nehmen und dann passiert irgendeinem Touristen etwas, finde ich langweilig.
Trotzdem ist ja Rügen touristisch interessant und deshalb passiert dort auch mehr…
Nein, der Grund ist nicht, dass man als Hintergrund der Geschichten Touristen wählt sondern der Grund ist: Rügen ist ein Sehnsuchtsort wie für andere Mallorca. Ein Rügenkrimi wird auch in München gelesen, oder in Salzburg oder in Hermannstadt. Aber ein Wolfsburgkrimi oder ein Braunschweigkrimi wird in der Regel in der Gegend gelesen oder von Leuten, die einen Bezug zum VW-Werk haben.
Der Rügenkrimi wird deutschlandweit verkauft und auch in Österreich und der Schweiz, aber mein Wolfsburgkrimi wird in Wolfsburg verkauft.
Warum der Name Katharina Peters?
Den wählten mein Agent und ich, als ich begann, die Rügenkrimis zu schreiben, die in einem anderen Verlag erscheinen. Katharina Peters ist der Mädchenname meiner Mutter, und da sie auch immer ein Fan von Meer und Insel war, schien mir das ein guter Name. Meine Mutter ist Wolfsburgerin, ihre mütterliche Linie ist im Ruhrgebiet, die Großmutter ist nach Niedersachsen gekommen. Mein Vater ist derjenige mit den verwandtschaftlichen Beziehungen nach Polen, nach Russland, ich habe auch einen halbungarischen Cousin. Also es ist schon einesehr weit verzweigte Linie und wenn man will, kann man nachforschen, wo es so Wurzeln gibt. Eine Tante meinte mal, es gäbe über Querverbindungen jemanden aus unserer Sippe, der aus Rumänien stammt. Ich weiß aber nicht, wer das war, bin aber auf der Suche.
Am wohlsten fühle ich mich in der Tat mit den Rügenkrimis.
Liegt das an dem Erfolg?
Natürlich, aber es reicht nicht, eine Lücke zu finden und diese zu füllen. Man muss ja auch begeistert dabei sein. Je näher ich meinen Figuren und meiner Geschichte bin, desto lieber ich die schreibe, desto erfolgreicher ist sie auch. Meine Figuren sind angelegt auf eine Serie, meine Figuren ermitteln keine Touristen, die sich dort gegenseitig von den Klippen schmeißen. Das will ich gar nicht. Und meine Hauptermittlerin Romi Beccare stammt auch nicht von Rügen. Da habe ich es mir ein bisschen einfacher gemacht. Sie kommt ja auch hinzu, sie blickt auch auf Rügen mit dem Blick der begeisterten Touristen von vormals und wird auch ein bisschen als Fremde wahrgenommen, als südländisch aussehende Fremde.
Unfassbar, unglaublich fand ich auch das Monstrum, dieser Gebäudekomplex, 4,5 km lang, zum Großteil dem Verfall preisgegeben. Ich finde das alles so faszinierend: Sand und Strand, kilometerweit. Dann dreht man sich um und sieht wieder diese Ruinen, diesen Wahnsinn. Wo 20.000 Touristen untergebracht werden sollten. Darauf konnte auch nur Hitler kommen… Das ist gruselig.
Das Gebäude steht zum Teil unter Denkmalschutz. In anderen Teilen wird inzwischen gebaut. Es gibt in der Tat Ideen, dort Ferienwohnungen zu bauen. Die Meinung darüber ist gespalten. Wenn man weiß, dass dieses Monstrum zwischen 1936 und 1939 gebaut worden ist, aber nie seinem Zweck zugeführt wurde, logischerweise nicht, denn 1939 waren wir im Krieg. Dann haben die es dann so stehen lassen. Alles, was nachher an Nutzung stattfand in dieser Prora Sehbad Prora KDF Bad war rein militärisch, zunächst Flüchtlinge, dann Militär, dann Volkspolizei, Spatensoldaten, mein Thema im zweiten Rügenkrimi. Sechshundert junge Männer wurden da zusammengepfercht, die dann den Hafen Ukran ausbauen helfen mussten, damit die Fährverbindungen stattfinden konnten, zwischen dem Osten und Rügen. Da hat sich einfach Geschichte abgespielt und das finde ich interessant an der Gegend. Das Meer und der Strand – ich liebe Wasser -, das ist eins. Aber diese lebendige Geschichte, das möchte ich auch in meinen Krimis herüberbringen.
Ganz allgemein: Warum lesen Menschen gerne Krimis?
Vielleicht ist es der spielerische Umgang mit dem Tod. Erstens nähert man sich morbiden Themen auf spielerische Art, es ist ein Gedankenspiel mit Tod und Verbrechen und mit bösen Menschen, mit kranken Menschen. Man verlagert das in die Freizeit, egal ob Krimis lesen oder Krimis im Fernsehen – ich schreibe sehr bildhaft, und das kommt daher, dass ich sehr gerne Krimis gucke. Zweitens denken die Leute unbewusst, das habe mit ihrem Leben, mit ihrem Alltag nichts zu tun. Sie können beim Lesen oder Gucken von Krimis ihre morbiden Gedanken ausleben. Sie können was daraus erfahren, ohne etwas damit im Alltag zu tun zu haben. Es ist ein Spiel. Und nicht die Wirklichkeit.
Versuchen Sie eine Erklärung für das Handeln?
Viele Täter waren auch Opfer, aber ich möchte das erklärt haben. Man kann nicht einfach sagen: Der arme Junge, der konnte gar nicht anders. Dieser Täter, der auch Opfer war, fabriziert ja neue Opfer, die wiederum auch zu Tätern werden. Es ist ja ein furchtbarer Kreislauf. Natürlich muss jeder Täter die Konsequenzen seines Tuns erfahren, die anderen müssen irgendwie geschützt werden. Der Vorteil für mich als Krimiautorin, ich habe z. B. im „Hafenmord“ eine schillernde Persönlichkeit und ich kann sie einsetzen wie es für meinen Roman passt.
Entsteht die Spannung beim Schreiben oder haben sie alles schon fest eingeplant wenn Sie mit dem Schreiben beginnen?
Als ich anfing, Romane zu schreiben, hatte ich zunächst ein sehr lockeres Konzept. Ich wusste nicht, wie das endet, wie ich alles miteinander verknüpfe. Ich empfinde das als unglaublich spannend, einfach mal loszuschreiben und warten, was hinter der nächsten Ecke passiert. In größeren Verlagen wie jenem, in dem meine Rügenkrimis herausgebracht wurden, möchte man im Vorhinein ein relativ ausgefeiltes Exposé. Beim „Hafenmord“ war es auch so. Ich hatte sehr viele Ideen und hatte einen Plot aber ich wusste nicht, wie ich das auflösen werde. Das weiß ich nie. Ich weiß zwar, welche Figuren, was so das mitlaufende Thema ist, dass es nochmal eine Drehung gibt. Man verdächtigt zunächst den/die Falsche(n). Das phantasiere ich mir so zusammen, ich recherchiere sehr viel, lese sehr viel über mein Thema und hole Impulse ein. Dann gebe ich ein Exposé ab, das aber viel offen lässt. Mein Lektor beim Aufbau-Verlag weiß schon, er kann sich darauf verlassen, dass ich das schon hinkriege. Ich muss gestehen, beim „Hafenmord“ fand ich, als ich 80 Prozent fertig hatte, der Mörder, den ich bis dahin im Blick hatte, sei langweilig und suchte nach einer anderen Auflösung, einer unerwarteten Wendung. Ich habe dann quasi eine weitere Schleife gedreht und es passte auch. Gewöhnlich mache ich so etwas nicht, ich weiß schon wer es war und meistens auch warum. Was ich nicht von Vornherein weiß ist, wie es dahin kommt. Und ich weiß schon gar nicht, wie die Romi draufkommt oder Kasper.
Anfang April erscheint mein neuer Krimi und ich muss gestehen: Ich leide beim Schreiben mit. Wenn ich weiß, was da so passiert, das nimmt mich regelrecht mit, ich bin auch schockiert, weil ich überzeugend finde, was da geschieht. Es sind ja keine Fantasy-Geschichten. Ich war auf Rügen, habe mich in einem kleinen Bungalow einquartiert, bin die Orte abgegangen und habe das so auf mich wirken lassen. Ich war vollkommen in dieser Geschichte drin, mehr will ich jetzt nicht verraten.
Wann gibt es eine Tatort-Folge nach einem Ihrer Kriminalromane?
Es gibt in der Tat einen Filmproduzenten, der sich für einen meiner Krimis interessiert. Aber der Werdegang von einem Roman zu einem Drehbuch und dann zu einem Film ist noch viel länger. Allerdings handelt es sich nicht um einen Rügenkrimi sondern einen anderen Roman von mir, der in Berlin spielt, „Ostbahnhof“. Ansonsten hoffe ich, dass, wenn es so weiter geht mit diesen Rügenkrimis, das einmal einer verfilmt wird.
Zum Schluss, wie kamen Sie zum Schreiben?
Ich habe mir schon als Kind immer Geschichten ausgedacht, dann war der Deutschunterricht mein Lieblingsfach, ich schrieb gerne Aufsätze und las und las. Ab einem gewissen Punkt sagte ich mir, das kann ich auch, schreiben. Dann habe ich studiert,Germanistik und Kunstgeschichte – aber immer nebenbei geschrieben, Gedichte, Romane. Dann habe ich einen kaufmännischen Beruf erlernt und schickte irgendwann kleine Liebesgeschichten an Frauenzeitschriften, um zu sehen, was geht. Inzwischen war ich Mutter, hatte einen anderen Lebensweg eingeschlagen, hatte mich mit Unternehmensberatung befasst. Ich bin gar nicht schlecht als Buchhalterin. Über Jahre habe ich Kurzgeschichten verkauft und habe dann in einem kleinen Berliner Frauen-Verlag meinen ersten Frauenroman herausgebracht und dachte dann: Das war’s! Jetzt hast du es geschafft. Jetzt bist du Autorin. Aber so einfach war das nicht. Als ich dann den Verlag für die Niedersachenkrimis fand, dachte ich wieder, ich hätte es geschafft. Auch nicht so richtig. Da sagte mein Agent: Pass mal auf, jetzt machen wir was anderes. Und da kam Rügen. Jetzt bin ich seit mehreren Jahren freiberufliche Autorin. Ich wollte schreiben, nichts anderes, und das mit zwei kleinen Kindern. Heute studiert der Große Politologie und der Kleine hat gerade sein Abitur gemacht. Ich bin sehr stolz auf meine beiden Söhne. Zwei sehr schöne Geschenke.
Ihr erster Aufenthalt in Rumänien?
Ich war mit meinen Eltern in den 70-er Jahren auf Urlaub am Schwarzen Meer. Damals gab es Hotels für BRD-Bürger und Hotels für DDR-Bürger. Rumänien interessiert mich. Auch in dem Roman „Ostbahnhof“ spielt Rumänien eine Rolle. Es gibt ja bei Aufbau noch eine zweite Ermittlerin, eine eigenständige Reihe, außerhalb von Rügen. Es handelt sich um eine Kriminalpsychologin, die bundesweit agiert. In meinem neuesten spielt Rumänien eine richtig große Rolle.
Herzlichen Dank für das Gespräch.
Katharina Peters bei der Lesung im DKH.
Foto: Ruxandra STẰNESCU