Ausgabe Nr. 2359
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Interview mit Innenminister Reinhold Gall
Reinhold Gall (SPD), Innenminister des Landes Baden-Württemberg besuchte letzte Woche von Donnerstag bis Samstag Rumänien. Minister Gall hatte in Hermannstadt Gespräche mit Vertretern des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien, besuchte die Firma Marquardt in Hermannstadt, traf sich mit Mitgliedern des Deutschen Wirtschaftsclubs Siebenbürgen und stattete auch der Brukenthalschule einen Besuch ab. Desgleichen besuchte Minister Gall Birthälm und Kronstadt. Zum Abschluss seines Besuches am Samstag gewährte Innenminister Reinhold Gall der Hermannstädter Zeitung ein kurzes Interview.
Welches ist der Anlass ihres Besuches?
Es gehört zu den Aufgaben des Innenministers zumindest unseres Landes, dass er sich mit den Menschen und den Themen der Heimatvertriebenen und Spätaussiedler beschäftigt. Ich beschäftige mich nicht nur mit jenen, die den Weg nach Baden-Württemberg gefunden haben sondern auch mit denen, die in ihren Herkunftsländern verblieben sind. Deshalb erkundige ich mich vor Ort, wo Angehörige der deutschen Minderheit in Siebenbürgen leben.
Sind Sie zum ersten Mal da?
In Siebenbürgen zum ersten Mal, aber nicht zum ersten Mal in Rumänien. Ich habe zwar viele Einladungen von landsmannschaftlichen Verbindungen erhalten. Ich bin jetzt aber sehr froh, dass ich Siebenbürgen als eine der Ersten besucht habe. Das verdanke ich auch dem Vorsitzenden der Landesgruppe Baden-Württemberg des Verbands der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, Alfred Mrass, der mich auch hierher begleitet hat.
Wie fanden Sie die Gespräche?
Sie waren eigentlich alle klasse, sehr informativ, lehrreich. Ich habe mich auch beschäftigt mit der Geschichte der Siebenbürger Sachsen, damit, wie die Menschen heute dort leben. Aber es vor Ort selbst wahrzunehmen, auch durch Beobachtung, zu spüren, und das Gefühl zu haben, dass sich die Menschen, die geblieben sind, jedenfalls ist das mein Eindruck, wohlfühlen in dieser Region, war faszinierend. Ich habe weniger klassische politische Gespräche geführt. Mit Bischof Reinhart Guib, Pfarrer Ulf Ziegler in Birthälm, Stadtpfarrer Christian Plajer in Kronstadt, das war schon hochinteressant, die Geschichte der Kirche und deren Verbundenheit mit den Menschen und der deutschen Geschichte. Besonders beeindruckt hat mich, dass die Pfarrer nicht nur seelsorgerlich unterwegs sind, sondern auch Verantwortung übernehmen für die Entwicklung der Region und für die Bewahrung des Kulturerbes.
Angenehm fand ich auch, dass ich in vielen Gesprächen und daran, wie sich die Menschen geäußert haben, ein großes Maß an Stolz erfahren habe, mit dem die Menschen davon erzählen, was gut läuft. Die Einstiege ins Gespräch, egal ob bei Bischof Reinhart Guib oder Hermannstadts Bürgermeister Klaus Johannis, bei Vertretern des Deutschen Wirtschaftsclubs Siebenbürgen, waren immer positive. Auch zum Problembereich Bildung: Direktor Gerold Hermann von der Brukenthalschule in Hermannstadt sagte, das Lehrermangel-Problem betreffe nicht die deutsche Minderheit allein, sondern auch die rumänische Mehrheit.
Wie stehen Sie dazu?
Meine persönliche Auffassung ist diese: wenn sich die rumänische Gesellschaft insgesamt dieses Thema zu eigen machen würde, dann könnte sich hier mittelfristig auch was ändern. Solche Diskussionen und ähnliche haben wir in Baden-Württemberg auch schon geführt. Auch wir hatten schon das Problem, dass wir zu wenig Lehrerinnen und Lehrer haben. Momentan haben wir angesichts der Entwicklung der Schülerzahlen das umgekehrte Problem. Damals, als Lehrermangel herrschte, gab es bei uns erfreulicherweise einen Grundkonsens zwischen Regierung und Opposition aber auch in der Gesellschaft, dass der Staat etwas tun muss, wenn er dieses verändern will, aber der Staat sind nicht nur die da oben, sondern der Staat, das sind wir alle. Wo es um Zukunftschancen junger Menschen geht und vielleicht sogar um Zukunftschancen eines ganzen Landes, wäre ein breiter Konsens sinnvoll, denn von außen können wir nicht helfen. Nur punktuell. Die Unterstützung in Ausbildung und Qualifikation der Lehrer werden wir fortführen, über die Donauschwäbische Kulturstiftung des Landes Baden-Württemberg. Als Vorsitzender der Stiftung bin ich mir mit den handelnden Akteuren der Stiftung einig, dass wir Projekte unterstützen, die nachhaltig wirken. Es gibt kein Projekt das nachhaltiger wirkt als Bildungsinvestition.
Derzeit findet in Hermannstadt gerade eine internationale Germanistentagung statt, die von Ihrer Stiftung gefördert wird…
Solche Veranstaltungen dienen dazu, dass wir bestätigt bekommen, dass es richtig ist, was wir tun.
Deshalb bin ich froh, dass wir in der Stiftung und im Institut für Donauschwäbische Kultur und Landeskunde sowie im Haus der Heimat eine stattliche Zahl an Menschen haben, welche sich diese Themen zu eigen machen. Da braucht sich niemand Sorgen zu machen, dass sich da was verändert, nur weil es eine neue Landesregierung in Baden-Württemberg gibt.
Apropos Siebenbürger Sachsen: 1849 wanderten Menschen aus dem heutigen Baden-Württemberg nach Siebenbürgen aus, z. B. aus Erligheim bei Besigheim. 2014 könnte man ein Jubiläum feiern…165 Jahre.
Das will ich auch den Bürgerinnen und Bürgern in Baden-Württemberg und Deutschland in Erinnerung rufen, dass immer wieder auch von uns Menschen ausgewandert sind und Zukunft in anderen Ländern gesucht haben. Diese haben, egal ob vor 800 oder 300 Jahren, bis auf wenige Ausnahmen damals die Erfahrung gemacht, in aller Regel mit offenen Armen und mit einladenden Gesten empfangen worden zu sein und manchmal wurden sie sogar mit Privilegien ausgestattet. Damals waren die Lebensbedingungen bei uns sehr schlecht. Die Menschen sind ja seinerzeit nicht aus purer Abenteuerlust ausgewandert. Sie haben große Risiken auf sich genommen, um ihre Lebenssituation, um die Zukunft ihrer Kinder zu gewährleisten. Dies sollten sich die Menschen heute in Erinnerung rufen, wenn sie klagen, dass Menschen aus unterschiedlichen Regionen zu uns kommen.
Danke für das Gespräch.
Beatrice UNGAR
Reinhold Gall, Innenminister des Landes Baden-Württemberg (links) hatte bei seinem ersten Besuch in Siebenbürgen ein Gespräch mit Bischof Reinhart Guib. Foto: Stefan BICHLER