Jazz darf alles?

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Ausgabe Nr. 2353
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Jazz geschieht in Echtzeit. Nur einmal, nur in diesem Moment, genau an diesem Ort. Jazz darf Improvisation, Takt – Rhythmusbruch, Jazz darf Tonwechsel. Jazz darf alles. Aber was ist in diesem Fall alles? Was ist eigentlich Jazz? Tatsächlich wird es schwierig, Jazz durch Gestaltungsmittel zu definieren. Zu viele Arten und Unterarten gibt es mittlerweile von dieser Musikrichtung. Hat dies alles noch mit Verschmelzung afroamerikanischer Volksmusik mit europäischer Marschmusik zu tun? Und ist es schlimm, wenn es sich von den Wurzeln entfernt hat?

Ist das nun Free Jazz, Jazz Fusion, Modern Creation, Experimental-Jazz? Wer Jazz kategorisiert, limitiert ihn. Es kommt schließlich auf den Moment, auf die Atmosphäre und natürlich auf die Musik an.

Bei meinem Besuch des 9. „Jazz and more“ Festivals in Hermannstadt werden mehr Fragen aufgeworfen, als ich beantworten kann. Aber sind Fragen nicht manchmal wichtiger, als ihre Antworten?

Freitag. 18 Uhr. Beginn des „Jazz and More“ Festivals im Gong Theater. Es wird improvisiert. Es werden Rhythmen gebrochen, bevor diese auf die Idee kommen zu entstehen. Exzellente Musiker. Beeindruckend, wie sie ihr Instrument beherrschen. Trotzdem befinde ich mich irgendwann an einem Punkt, bei dem ich nicht weiß, ob es mir gefällt oder nicht. Ich stehe irgendwie dazwischen.

Der Klang des Isolierbandes, das Zerreisen eines Tellers, das Knacken einer Plastikflasche, ist das wirklich Jazz? Oder ist speziell hier das „more“, also mehr gemeint, dass sich im Titel dieses Festivals befindet?

Es ist nicht meine Art von Musik, welche sowohl im Gong Theater, als auch in der Johanniskirche gespielt wird. Diese Musik wird wohl nie mein Duschradio entdecken. Aber während der Jam Session im kleinen, aber sehr vollen Atrium Café entsteht eine sehr schöne Atmosphäre. Viel schöner, als unter meiner Dusche.

Aber ob nun einem diese Musik gefällt oder nicht, muss jeder selbst entscheiden. Eine Musik, die einen zum Nachdenken anregt, die Fragen aufwirft, kann nicht die Schlechteste sein. 

Musik ist Kunst. Jazz ist Kunst. Kunst darf ungemütlich sein. Darf das auch die Musik? 

Julius SCHMITT

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Gesellschaft.