Es bleibt spannend

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Ausgabe Nr. 2354
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20 Jahre Astra Film Festival in Hermannstadt

 

 

Wir schreiben das Jahr 1993. Es ist das Jahr der Bergbauarbeiterproteste, der interethnischen Konflikte und einer rasenden Inflation. Computer sind eine Rarität, Internet gibt es noch keines und die Telefonverbindung mit dem Ausland bricht oft ab. In diesem Jahr erblickt in Hermannstadt ein neuartiges Festival das Licht der Welt. Heute, 20 Jahre später ist das Astra Film Festival für Dokumentarfilm aus dem kulturellen Herbstprogramm Hermannstadts nicht mehr wegzudenken. Es ist zusammen mit dem Transilvania International Film Festival, kurz TIFF, aus Klausenburg eines der wichtigsten Filmfestivals in Rumänien.

 Der Mann, der alles möglich machte, Dumitru Budrala, begann seine berufliche Karriere in Jina als Geographie- und Geschichtelehrer. Später bewarb er sich für eine Stelle im zu gründenden Filmstudio des Astra-Museum und damit begann vor zwanzig Jahren das Abenteuer Astra Film Festival. Heuer organisiert er zusammen mit seinem Team die 13. Auflage des internationalen Festivals, die vom 14.-20. Oktober im Gewerkschaftskulturhaus stattfindet.

Eine sehr gelungene Retrospektive von Adina Vărgatu und Csilla Kato über die 20 Jahre Astra Film Festival wurde in der Eröffnung am Montagabend gezeigt. Es folgten kurze Grußworte von Festivalsleiter Dumitru Budrala, dem Kreisratsvorsitzenden Ioan Cindrea und Valeriu Olaru, Direktor des Astra Museums. Als Höhepunkt des Abends galt der Film „Google And The World Brain“ von Ben Lewis über ein sehr aktuelles und umstrittenes Thema: Urheberrechtschutz im Internet. Google Books galt als ehrgeizigstes Projekt der Internetgeschichte, weltweit alle Bücher zu scannen und in einer riesigen Bibliothek für alle Menschen zugänglich zu machen. Google scannt jetzt bereits seit zehn Jahren Bücher. Die Dokumentation wirft auch einen Blick auf die Autoren, deren Werke eigentlich urheberrechtlich geschützt waren und trotzdem für jeden öffentlich zugänglich gemacht wurden. Die Autoren fühlen sich bestohlen und wollen das Projekt stoppen. Im Anschluss zu dem Film durften sich die wissbegierigen Hermannstädter zu Wort melden und Fragen an den Regisseuren Ben Lewis stellen.

Zum Abschluss des ersten Festivalabends sang die Künstlerin Ada Milea zusammen mit den Klausenburger Schauspielern Anca Hanu und Cristi Rigman bis spät in die Nacht im Foyer. 

Seit zwei Jahren sind beim Festival die Vormittagsstunden den Kindern und Jugendlichen gewidmet. Astra Film Junior ist ein ehrgeiziges Projekt, das bezweckt, Kinder durch das Medium Dokumentarfilm zu erziehen. Ganze Schulklassen besuchen jeden Morgen die Filme im Gewerkschaftskulturhaus. So auch am Dienstag, als der große Saal rappelvoll war.

Die Erwachsenen hatten am Dienstag die Qual der Wahl. Stolze 28 Filme standen im Angebot. Der am meisten besuchte Film des Abends war wohl „Drill Baby Drill“, von Lech Kowalski, einem amerikanischen Regisseuren mit polnischen Wurzeln. Der Film handelt von den Schiefergasbohrungen des Energie-Konzerns Chevron in Pennsylvania (USA) und in Polen. Bauern aus einem kleinen Dorf im Osten Polens erfahren, dass Chevron in direkter Nähe des Dorfes eine Schiefergasquelle bauen wollen. Zuerst sind sie für die Bohrungen, doch als sie herausfinden, dass ihr Brunnenwasser dadurch verpestet sein könnte, beginnt ihr Kampf gegen den Konzern. Die Bauern schaffen es Schritt für Schritt und nach mehreren Protestaktionen und Gesprächen mit Politikern ihrer Region, den Bau der Schiefergasquelle zu verhindern. Im Anschluss an den Film gab es viele Fragen an den Regisseuren und einige Zuschauer sprachen das umstrittene Projekt Roșia Montană an.

Traurig und schockierend zugleich war der Dokumentarfilm „Das Venedig Prinzip“ des Österreichischen Regisseurs Andreas Pichler.  Inhaltlich geht es in dem Film um die Zerstörung der Stadt Venedig durch Massentourismus. Dieser wird als  Grund dafür genannt, dass immer mehr Venezianer ihre Stadt verlassen. Inzwischen leben nur noch 58.000 Menschen in der Stadt, so viele wie zuletzt nach der großen Pest 1438. Und nächstes Jahr sollen es wieder weniger sein.
Denn die Stadt wird unbewohnbar. 20 Millionen Fremde besuchten die Stadt im letzten Jahr, das sind durchschnittlich 60.000 am Tag. Das urbane Eigenleben Venedigs ist beinahe zusammengebrochen, es existiert kaum noch.
Der Film zeigt, was vom venezianischen Leben übrig geblieben ist: eine Subkultur touristischer Dienstleister; ein Hafen für die monströsen Kreuzfahrtschiffe, der auf seine Erweiterung wartet; Venezianer, die auf das Festland ziehen, weil es keine bezahlbaren Wohnungen mehr gibt. Der Film endet mit einer schockierenden Statistik laut der es in 30 Jahren keinen einzigen Einwohner mehr in Venedig geben wird.

Weitere spannende Filme sind täglich bis Sonntag, den 20. Oktober, im Gewerkschaftskulturhaus zu sehen. Am Samstagabend findet ab 19 Uhr die Preisverleihung der Gewinnerfilme im Thalia-Saal statt. Am Sonntag, ab 13 Uhr werden eben diese Gewinnerfilme im kleinen Saal, dem Săucan-Saal, gezeigt.

Es bleibt also spannend.

Cynthia PINTER

 

Foto 1: Festivalsdirektor Dumitru Budrala moderierte die Eröffnungsveranstaltung am Montag Abend.

Foto 2: Nach der Eröffnung begeisterte die Künstlerin Ada Milea mit ihren von Schwarzem Humor geprägten Songs. Milea erwies sich als absoluter Publikumsliebling: 30 Minuten länger als geplant dauerte das Konzert.

Fotos: Sebastian MARCOVICI

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Kultur.