Zwischen Aufgabe und Aufgeben

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Ausgabe Nr. 2351
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Das Kulturerbe im Mittelpunkt des 23. Sachsentreffens in Schäßburg

 

Mit Schirmen ausgestattet und warm gekleidet stellten am Samstag  Morgen einige Wackere ihre Stände auf dem Platz zwischen Stundturm und Venezianischem Haus, wo das Schäßburger Deutsche Forum seinen Sitz hat, auf. Einige hatten Bücher mitgebracht, wie die Honterus-Druckerei, der hora-Verlag und der ADZ-Verlag, andere Stickereien wie die Frauen der Handarbeitskreise.

Den Vogel schossen die Bistritzer Frauen ab, die an dem Stand gleich neben dem Stundturm Kaffee und Kuchen anboten. Dieser war im Nu alle, denn die von weiter oder näher Angereisten konnten sich bei den niedrigen Außentemperaturen und dem Dauerregen daran wärmen und damit stärken.

Wacker hielten sich auch durch das gesamte Programm des 23. Sachsentreffens die Probstdorfer Adjuvanten, die im Zelt unterhalb der Burgmauern, wo es mititei und andere gegrillte Leckereien gab, Platz nahmen und spielten, was das Zeug hielt.

Die Bistritzer Blaskapelle bot den nach dem Festgottesdienst aus der Kirche strömenden durchgefrorenen aber erbauten Teilnehmenden ein Platzkonzert. Trotz Regen blieben fast alle stehen und einige klatschten auch den Takt dazu, als bekannte Weisen erklangen.

Handarbeitskreise, Verlage, Kirchengemeinden, Jugendorganisationen, Volkstanzgruppen, Blaskapellen, Chöre sind ja auch Teil des Kulturerbes der Siebenbürger Sachsen, wenn auch in vielen inzwischen auch oder hauptsächlich Mitglieder der Mehrheitsbevölkerung tätig sind. Sie gehören zum lebendigen Beweis, wie Kulturerbe bewahrt und fortgeführt werden kann.

Wie unterschiedlich die Siebenbürger Sachsen den Begriff Kulturerbe im Laufe der Jahrhunderte verstanden haben und vor allem wie sie damit umgegangen sind, davon berichtete in seiner kurzweiligen und fachmännisch ausgefeilten Festrede der Kunsthistoriker Dr. Frank-Thomas Ziegler, Kustos der Brukenthalschen Sammlungen bei der Hermannstädter evangelischen Kirchengemeinde. Die Zuhörer in dem schmucken Barocksaal im Schäßburger Rathaus erfuhren u. a., dass zu dem siebenbürgisch-sächsischen Kulturerbe neben den Kirchenburgen und Altären auch die in osmanischer Pracht strahlenden Altarbehänge und Teppiche gehören, ebenso die Tanzordnungen oder die wertvollen Gemälde aus der brukenthalschen Sammlung, allen voran Van Eycks „Mann mit der blauen Sendelbinde".  Ziegler sagte. „Nirgendwo  in der Welt – mit Ausnahme der Türkei – sind so viele osmanische Teppiche erhalten wie in siebenbürgischen Kirchen". Allerdings seien diese Teppiche akut gefährdet, weil sie nicht fachgerecht aufbewahrt wurden und werden, fügte Ziegler hinzu. Was man alles falsch machen kann bei der Restaurierung von Kulturerbe veranschaulichte Ziegler am Beispiel des vorreformatorischen Wandbildes in dem Chorraum der evangelischen Stadtpfarrkirche in Hermannstadt, wobei er feststellte: „Wandbilder gelten nicht als sächsisches Kulturerbe". Wünschenswert wäre, auch angesichts der Tatsache, dass bei der Sanierung der Kirchenburgen immer öfter Wandbilder in den Kirchen entdeckt werden, wenn man in diesem Fall seinen „Gesichtskreis erweitern" würde, schloss Ziegler.

Zum Thema Kirchenburgen hatte Bischof Reinhart Guib in seinem Grußwort im Festgottesdienst in der Klosterkirche schon erwähnt, dass in diesem Jahr ca. 30 saniert und wieder eingeweiht worden sind. Guib stellte fest: „Es gibt noch viel zu tun." Gelingen werde der Erhalt der Kirchenburgen allerdings nur durch den Einsatz aller verfügbarer Kräfte, durch die Zusammenarbeit und nicht zuletzt, „wenn wir den architektonischen Kulturdenkmälern eine Seele geben". Entsprechend heiße das Projekt zur touristischen Erschließung der Kirchenburgen „Entdecke die Seele Siebenbürgens". 2013 sei das Jahr des Gottesdienstes in der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien gewesen, 2014 werde das Jahr der Diakonie sein, in dem man die Arbeit mit und für den Nächsten würdigen werde.

„Dem inneren Auge zu einer neuen Blickrichtung verholfen" werde in der Bibelgeschichte von der Heilung des Blinden (Johannes 9) sagte Stadtpfarrer Bruno Fröhlich in seiner Predigt, in der er dann auch Überlegungen zu dem Motto des 23. Sachsentreffens – „Kulturerbe – Gabe und Aufgabe" in den Raum stellte. So fragte er z. B. was von dieser Gabe noch als Aufgabe gesehen werden soll und was aufgegeben werden kann. Fest stehe: „An allen Ecken und Enden fehlen die Menschen, die diese Aufgabe wahrnehmen könnten." Allerdings sei es ratsam, in der aktuellen Situation eine Chance zu erkennen, sich in die Rolle des Blindgewordenen hineinzuversetzen, der schließlich ans Ziel kommt.

Im Anschluss an den Gottesdienst boten die drei Sälwerfäddem-Singgruppen aus Hermannstadt, Mediasch und Schäßburg und das Mediascher Männer-Oktett ein Konzert, bei dem immer wieder auch das Publikum mitsingen durfte.

Indes stellten sich am Fuße der Burg die Volkstanzgruppen auf für den Umzug. Voran gingen die Blaskapelle der Schäßburger Musikschule und jene aus Bistritz. Beim Aufmarsch regnete es noch aber als dann die Neumarkter Tanzgruppe „Sonnenschein" die Sternenpolka tanzte, brach die Sonne kurz durch. Während die Volkstanzgruppen tanzten und in der Bergkirche die Fogarascher Kantorin Christiane Neubert ein Konzert dirigierte, trafen nach und nach die Ehrengäste und Interessierten zu der von dem Vorsitzenden des Siebenbürgenforums, Kreisrat Martin Bottesch, moderierten Festveranstaltung im Rathaus ein. Die Reihe der Grußworte eröffnete der DFDR-Landesvorsitzende Dr. Paul Jürgen Porr, ihm folgten der neue Botschafter der Bundesrepublik Deutschland, Werner Hans Lauk, Schäßburgs Bürgermeister Dorin Dăneşan, die Frauenreferentin des Verbands der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, Christa Wandschneider, die feststellte: „Nur was sich ändert, bleibt bestehen" und als Gastgeber der Vorsitzende des Zentrumsforums Schäßburg, Stefan Gorczyka. Seitens des Verbandes der Heimatortsgemeinschaften sprach Karl-Heinz Brenndörfer, der für Martin Bottesch eine Überraschung mitgebracht hatte: Die Ehrennadel des Verbands als Zeichen der Anerkennung. Bottesch sagte: „Die Heimatortsgemeinschaften werden immer wichtiger für unsere Arbeit hier".

Im Namen des Forums und der Kirche, für die sich Dr. Karl Scheerer gleichermaßen verdient gemacht habe, sprach Altbischof D. Dr. Christoph Klein  dem Geehrten in seiner Laudatio bei der Verleihung der Honterus-Medaille „Anerkennung und Dank" aus. Scheerers Bemühungen und der gemeinnützigen Hermann Niermann-Stiftung zu verdanken sind einige wichtige Restaurierungsarbeiten wie die der Bergschule in Schäßburg (Impulsgeberin war, so Scheerer in seiner Dankesansprache, seine Gattin Annemarie Scheerer). Als Vertrauer des Stiftungsgeschäftsführers Uwe Stiemke konnte Scheerer nach seiner Rückkehr in seine Heimatstadt 2002  diesen, so Dr. Klein, „für eine tatkräftige und langfristige Unterstützung unseres Kulturerbes durch die Stiftung gewinnen." So wurden außer der Bergschule auch der neue Sitz des Instituts für Geisteswissenschaften und jener des Departements für Protestantische Theologie in Hermannstadt saniert. Der Geehrte stellte fest, dass die Entscheidung, nach Siebenbürgen zurückzukehren, richtig war, denn „Heimat kann nicht als unsichtbares Gepäck mitgenommen werden, sondern sie ist und bleibt hier."

Dem kann auch Johann Schaas, der bekannte Reichesdorfer Kurator, zustimmen, dem Andrea Rost das Buch „Das Leben ist so schön, wenn man darüber lächeln kann!" gewidmet hat. Das Buch wurde im Beisein der Autorin und der Hauptperson vorgestellt.

Beatrice UNGAR

Foto 1: Der Aufmarsch der Tanzgruppen auf dem Burgplatz zauberte für eine kurze Zeit die Sonne an den ansonsten verhangenen Himmel über Schäßburg. Unser Bild: Mitglieder der Korona"-Tanzgruppe aus Kronstadt.

Foto 2: Die Honterus-Medaille empfing für seinen Einsatz der Pädagoge Dr. Karl Scheerer im Rahmen einer gediegenen Festlichkeit im wunderschönen Barocksaal im Rathaus. Unser Bild: Die Medaille überreichte der Vorsitzende des Siebenbürgenforums, Martin Bottesch.

Foto 3: Die vereinten drei Sälwerfäddem-Singgruppen aus  Hermannstadt, Mediasch und Schäßburg boten unter der Leitung von Edith Toth ein abwechslungsreiches und interaktives Konzert in der Klosterkirche.

Fotos: Beatrice UNGAR

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Gesellschaft.