200 Jahre Bessarabiendeutsche

Teile diesen Artikel

Ausgabe Nr. 2348
 >

Herbsttagung des EFS in Hermannstadt

 

Die Herbsttagung des Evangelischen Freundeskreises Siebenbürgen e.V. fand unter dem Titel „200 Jahre Ansiedlung der Deutschen  aus Bessarabien“ vom 30. August bis 1. September im Hans Bernd von Hälften Tagungs- und Begegnungszentrum der Evangelischen Akademie Siebenbürgen in Hermannstadt statt.

Die Tagung begann am Freitag Nachmittag mit der Mitgliederversammlung des EFS. Anschließend folgte die Einführung im Festsaal, bei der ca. 35 Teilnehmer anwesend waren. Das Publikum wurde in das Thema miteinbezogen. Die Teilnehmer erzählten zu Beginn von ihren eigenen Erfahrungen aus Bessarabien. Nach der Einführung folgte ein Vortrag von Dr. Ute Schmidt aus Berlin über das Thema: „Ansiedlung – Lebenswelten- interethnische Beziehungen". Hier erfuhr das neugierige Publikum unter anderem die 125jährige Siedlungsgeschichte und dass die Ansiedlung der Deutschen in Bessarabien ein mühseliger Prozess war, der viele Verluste forderte. Die Menschen waren sehr traditionsgebunden und gründeten 150 Siedlungen.

Die Menschen regelten ihre kommunalen Angelegenheiten selbst, sie besaßen eine kommunale Verfassung. Die Kolonisten kamen aus Württemberg und Preussen. Der Großteil gehörte der evangelischen Konfession an. (Nur ein kleiner Teil war römisch-katholisch). Eheschließungen über Konfessionsgrenzen hinweg waren selten.

Nach dem Vortrag wurden zum Abschluss noch Bilder aus dem Bestand des Heimatmuseums und aus persönlichem Bestand gezeigt.

Den Samstag leitete Dr. Cornelia Schlarb aus Ebsdorfergrund ein. Durch die vorhandene Karte Bessarabiens konnte man sich außerdem optisch gut orientieren, wo man sich gerade in der Geschichte Bessarabiens befand. Der Vortrag befasste sich mit den siebenbürgischen Einflüssen auf Kirche, Schule und Politik der Bessarabiendeutschen nach dem Ersten Weltkrieg. Die Pastorenschaft beispielsweise war nicht sehr groß. Jede kleine Gemeinde hatte eine Kirche. Der Küster übernahm viele Rollen. Unter anderem war er für die Schule, Taufen, Trauungen oder Beerdigungen zuständig. Interessantes war auch über die politische Lage während des Nationalsozialismus zu erfahren Zudem konnten aus dem Publikum immer Fragen gestellt werden, um Ungeklärtes besser zu verstehen. So wurde beispielsweise geklärt, dass der Name Bessarabien sich vom walachischen Fürstengeschlecht Basarab ableitet, das dort im 13. und 14. Jahrhundert herrschte.

Den nächsten Vortrag hielt Pfarrer Karl-Heinz Ulrich aus Nürnberg über das heutige Bessarabien. Zunächst stellte er die deutsche Minderheit, die kirchlichen Verhältnisse und die politische Rahmenbedingungen vor. So erfuhr man, dass selbst in Odessa nur etwa 10.000 Deutsche leben. Nach dem Angriff Hitlers auf Russland 1942 gab es kaum noch Deutsche in Bessarabien. Deutsche konnten zu einer bestimmten Zeit auch auswandern bzw. wieder nach Bessarabien „umsiedeln“, meist aber nur mit russischen oder ursprünglich ukrainischen Ehepartnern. Die in Odessa ansässige Gesellschaft für Entwicklung errichtete für 70 Kulturvereine in der Ukraine Häuser oder Begegnungsstätten zur Pflege des deutschen Kulturguts und der deutschen Sprache. Sehr berührend war das Ende des Vortrags, bei dem es sich um das Thema Gesundheit handelte. In Bezug auf die Krankenversorgung herrschen in beiden Ländern katastrophale Zustände. Es existieren nur kleine Ambulatorien für jeweils 6 bis 10 Ortschaften. Die Kreiskrankenhäuser haben keine modernen Geräte. Außerdem sind Medikamente nicht kostenlos und es existiert keine Kranken- oder Pflegeversicherung.

Eindrücklich erzählte Pfarrer Ulrich von zwei Lebensschicksalen Bessarabiendeutscher, die geradezu stellvertretend stehen für das bewegte Schicksal dieser Volksgruppe.

Bei der Vernissage der Ausstellung „Fromme und tüchtige Leute…" stellte im Spiegelsaal des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien (DFDH) Dr. Ute Schmidt ihr Buch „Bessarabien. Deutsche Kolonisten am Schwarzen Meer“ vor, in dem sie die Herkunft der Bessarabiendeutschen, ihre von lokaler Autonomie und protestantischer Ethik geprägte ländliche Kultur sowie das Zusammenleben mit anderen Nationalitäten vorstellte;  sie beleuchtet darin 125 Jahre Siedlungsgeschichte, von der Niederlassung auf Einladung Zar Alexanders 1813 bis zur von Hitler und Stalin vereinbarten Umsiedlung 1940. Die Autorin schließt mit Beobachtungen aus dem heutigen Bessarabien, das seit 1991 teils zur Republik Moldova, teils zur Ukraine gehört.

Aufbauend auf das Buch entstand die Wanderausstellung, die jetzt im  Forumshaus aufgebaut wurde. Die Ausstellung hat viele Schwerpunkte. Ein bestimmtes Thema ist auf einem Banner zu lesen (z.B. Schule, Kirche, Ansiedlung, Familie, Gewerbe etc.). Es handelt sich um keine Leseausstellung, eher um ein aufgeklapptes Bilderbuch, das verschiedene Eindrücke über die Bessarabiendeutschen vermittelt. Auf den Bannern befinden sich auch große Prägebilder (eine Aussage, ein historisches Zitat), in der Mitte eine zweisprachige Lesezone und unten ein Großdruck. Die Ausstellung ist bis zum 3 Oktober zu besichtigen.

Die Tagung endete am Sonntag mit einem Gottesdienst in der Neppendorfer Kirche und einem anschließenden Feedback und einer Auswertung.

                     Cathrin KLOSIUS

 

Bildtexte: Raimar Kremer (am Rednerpult) begrüßt die Tagungsteilnehmer im Festsaal der Evangelischen Akademie Siebenbürgen. Fotos: Beatrice UNGAR

 

Fromme und tüchtige Leute…" lautet der Titel der Wanderausstellung im Forumshaus.                                                                   Foto: Fred NUSS

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Gesellschaft.