Kanonendonner und Schwertergeklirr

Teile diesen Artikel

Ausgabe Nr. 2347
 >

20.000 Zuschauer beim 13. Mittelalterfestival auf dem Großen Ring

 

Nicht umsonst lautete “Aberglauben” das Motto des diesjährigen Mittelalterfestivals “Cetăți Transilvanene“ (Siebenbürgische Burgen). In diesem Jahr hat nämlich die 13. Auflage stattgefunden. Am Wochenende wimmelte es  in Hermannstadt von Rittern, Hexen, beweglichen Statuen und vielen anderen komischen Wesen. Und wenn jemand gegen Mitternacht in Hermannstadt den Eindruck gehabt hat, einen Kanonenschuss gehört zu haben, so hat er sich nicht geirrt.

 

Am Freitag Abend bildete sich eine lange Schlange beim Zimmermannsturm in der Harteneckgasse. Die Hartenecktürme und die Ringmauern passten schließlich gut zu den Ritterschaaren und den übrigen Gestalten des Zuges. In diesem Jahr sollen etwa 300 Teilnehmer mitgemacht haben. Voran ging eine Dame sowie ein Ritter, mit je einer Eule auf der Hand. Sie gehörten wohl dem Verein Peregrinus an, der im Laufe des Festivals Vogeldressur zeigte. Es folgte ein Fräulein das ein großes Buch trug, auf dessen Umschlag „Cartea deschisă a festivalului” (das offene Buch des Festivals) zu lesen war. Wie beim Lesen eines Buches zogen die mittelalterlichen Gestalten vor den Augen der Zuschauer vorbei. Und wer sich nicht  damit begnügte, den Umzug von Weitem zu beobachten, dem wurde ein ganz schöner Schreck eingejagt von dem plötzlichen Gebell neben ihm. Es waren die Jagdhunde, oder ähnliche Kreaturen, des mittelalterlich gekleideten Hauptveranstalter Bogdan Sărătean und der Hofdame an seiner Seite. Echte Tiere waren es nicht, sondern vermutlich zwei Schauspielerinnen, die es verstanden, das Gebell von frechen Hunden verblüffend echt nachzuahmen.

Zwischen den beiden Ringmauern ging es entlang der Oberen Promenade. Und dann durch die Heltauergasse und durch ein Tor, auf dem dunkle Gestalten Flammen spuckten, zurück zum Großen Ring.  Während des Umzugs machten Musik und Stimmung auch das Ensemble Obscurus Orbis aus Lettland, das dann Anschließend ein Konzert gab. Es folgte eine Feuerwerk-Schau die von dem Verein Crispus dargeboten wurde. Und zu allerletzt kamen am Freitag die Ritter des Crux Alba Vereins aus Ungarn dran. Diese feuerten mehrerlei Feuerwaffen ab, die ähnlich wie in der Zeit von König Matthias aussahen und gebaut waren.  Angefangen wurde mit kleineren Waffen, dann am Ende aber auch mit einer sechsrohrigen Kanone gefeuert. Die sechs Kanonenrohre waren nebeneinander auf einem Holzgestell mit Rädern angebracht. Nach dem der erste Kanonenschuss gefallen war, riskierten die meisten Zuschauer nichts mehr und hielten sich gleich die Ohren zu. Obwohl manchmal ein Schuss nicht gleich losgehen wollte, zuckte der eine oder der andere Zuschauer zusammen, als wären alle sechs auf einmal abgefeuert worden.

Während des Festivals ging es am Tag nicht weniger uninteressant zu. Wer sich nun im mittelalterlichen Jahrmarkt eine mittelalterliche Mütze oder ähnliche Requisiten gekauft hatte und sich noch irgendeine Leckerei wie Baumstrietzel u. a. hinterdrein schmecken ließ, der war nun vorbereitet sich in das Mittelalter einzuleben. Im großen Thron neben den riesigen Schachfiguren des Festival-Sponsors Volksbank ließ es sich gut fotografieren. Und bis die Wandergesellen aus Kalkstein, Holz oder Eisen echte Kunstwerke schufen, ging es im Hintergrund weniger friedlich zu. Die Kinder beschossen einander aus zwei Kleinburgen mit Minikatapulten. Die Wandergesellen konnten nach einer Weile nicht anders und mussten den Kindern zuschauen, oder mussten sogar selber mitschießen. Oder wollten sie den Kindern nur zeigen wie das Spiel geht?

Spaß hatten die Kinder auch in verschiedenen Spielereien mit den beweglichen Statuen Statui Vivante von dem BIS Kulturverein. Wenn eine böse Fee Küsse zupustete, fielen die Kinder um. Dann kam die gute Fee und weckte die Kinder wieder auf. Selbstverständlich wurde dann auch das Schießen mit Pfeil und Bogen probiert, an den Werkstätten im Ratturm teilgenommen oder einfach ein Theaterstück angesehen oder ein mittelalterliches französisches Gedicht das von Mitgliedern des Basarabilor Ordens (Rumänien) vorgetragen wurde, angehört.

 Das Schwertergeklirr in der Nähe war auch nicht zu vernachlässigen. Außerdem bildete sich ein dicker Zuschauerring um die Kämpfenden Ritter, so dass man sich das unbedingt mitansehen musste. Die Ritter der Orden Crux Alba (Ungarn) und Chigot (Bulgarien) führten untereinander, aber auch miteinander, echte Schlachten. Die Schildknappen des Scutierii de Mühlbach-Ordens zeigten ebenfalls Kampftechniken. Dabei stellte sich heraus, dass die Fräuleins des Ordens sich vor dem Schwert überhaupt nicht fürchteten und diesen ebenso gewandt schwangen wie die Jungs.

An den Abenden unterhielten Ensemble wie Drachenmond (Deutschland), Nomen est Omen (Rumänien) oder Bordó Sárkány (Ungarn) die Zuschauer.

Interessante Vorträge gab ebenfalls. Im Altemberger Haus sprach Kulturberaterin Florinela Anca Vasilescu im Allgemeinen über den „Aberglauben”. Im Anschluss hielt Andreea Ionescu, Personal Coach, einen Vortrag über „Innere Reisen. Entdecken. Das erweiterte Bewusstsein. Meditation. Kontemplation und Heilung”, in dem sie unter anderem auch von persönlichen Erfahrungen mit dem Dalai Lama oder von persönlichen Erfahrungen mit Schamanen im Regenwald von Südamerika berichtete. Dozent Zeno Pinter führte die Zuhörer durch die Geschichte, von den frühen Kampfarten bis zur Entstehung des Rittertums im 8. Jahrhundert, als Karl Martell eine schwere fränkische Panzerreiterei aufstellen ließ, um die leichte Reiterarmee der Mauren besiegen zu können. Das bis dahin eingesetzte Fußvolk soll dazu nicht geeignet gewesen sein.

                                  Werner FINK

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Gesellschaft.