Zu Besuch bei Eginald Schlattner

Teile diesen Artikel

Ausgabe Nr. 2342
 >

Internationale Sommerakademie vom 2.-8. Juli 2013 in Hermannstadt

Vor einigen Tagen ging die zweite Sommerakademie an dem Germanistik-Lehrstuhl der Lucian-Blaga-Universität in Hermannstadt zu Ende. Etwa 40 Studentinnen und Studenten aus fünf Nationen hatten daran teilgenommen. Die jungen Leute, die überwiegend Germanistik, aber auch Geschichte und Politik studieren, möchten nach ihrem Studium Lehrerinnen und Lehrer oder Erzieherinnen werden. Sie reisten mit ihren Dozenten für einige interessante Vorlesungen, Präsentationen und Workshops aus ihren Heimatstädten Osijek (Kroatien), Novi Sad (Vojvodina/Serbien), Baja (Ungarn), Ludwigsburg (Deutschland) an.

Zudem nahmen auch Germanistikstudenten/innen aus Hermannstadt teil. Organisiert wurde die gesamte Akademie im Vorfeld von der Leiterin der germanistischen Abteilung, Frau Prof. Dr. Maria Sass und dem Geschäftsführer der Donauschwäbischen Gemeinschaft in Stuttgart, Herrn Dr. Eugen Christ. Unterstützt wurden sie von weiteren Mitgliedern der germanistischen Abteilung und dem Team des Hans-Bernd-von-Haeften-Konferenzhauses. Besonders Frau Dr. Sunhild Galter brachte sich in allen Bereichen der Akademie umsichtig und fachkundig ein.

Bei einem Stadtrundgang durch Hermannstadt konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die wunderschöne gastgebende Stadt bestaunen und viel Wissenswertes aus ihrer Geschichte und Gegenwart erfahren. Bogdan Muntean, der sachkundige Stadtführer, der die Gruppe die ganze Woche begleitete, brachte zu allen Stationen und Themen Hintergrundinformationen ein und erzählte zudem noch viele spannende Geschichten.

Das wissenschaftliche Programm, das in den nächsten Tagen folgen sollte, war eine gelungene Mischung aus wissenschaftlichen Vorträgen, Präsentationen, Workshops und akademischem Austausch über die Geschichte und Sprache der Siebenbürger Sachsen und der Rumäniendeutschen allgemein.

Der anschauliche landeskundlich-historische Vortrag von Herrn Dr. Martin Bottesch über die unterschiedlichen Herkunftsorte der Siebenbürger Sachsen zeigte, dass es sich bei den vor etwa 800 Jahren eingewanderten Volksgruppen eben nicht um Sachsen handelte, sondern eher um Pfälzer, Lothringer, Badener und Flamen. Ihr Name ist auch heute noch eine Fremdbezeichnung, die von einer kleinen Gruppe tatsächlicher Sachsen auf die gesamte deutschstämmige Bevölkerung in Siebenbürgen ausgeweitet wurde.

Beim anschließenden Vortrag von Frau Dr. Maria Sass wurde dann schnell klar, welchen inhaltlichen und personellen Reichtum die rumänien-deutsche Literatur während der Jahrhunderte seit der Einwanderung der ersten Siedler aus dem Westen hervorgebracht hat. Die seit vielen Jahren bekannteste Vertreterin ist die Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller. Diese Autorin lernten die Studenten dann auch in einem der Workshops näher kennen. Anhand von Kurzgeschichten wurde das harte Leben der Einwanderer thematisiert und analysiert. In die Reihe der literarischen Glanzpunkte gehörte schließlich auch noch der Besuch bei dem Autor und Pfarrer Eginald Schlattner am letzten Tag. Da die Studenten zuvor schon ausführlich über seine Werke – besonders über „Der geköpfte Hahn“- gehört hatten, entwickelte sich eine interessante Diskussion über die Geschichte der Deutschen in Rumänien während des Zweiten Weltkriegs.

Des Weiteren war erstaunlich zu erfahren, welch hohe Wertschätzung die deutsche Sprache in Rumänien auch heute noch hat. Obwohl die Zahl der deutschstämmigen Bevölkerung nach der Wende 1989/90 auf eine geringe Zahl zurückgegangen ist, steigt die Zahl der Deutsch-Lernenden seither stetig. Die Gründe für die Beliebtheit deutscher Schulen bei den Rumänen sind zum einen in dem hervorragenden Ruf der Schulen zu finden, zum anderen aber auch in den ökonomischen Chancen, die die Schulabgänger in deutschen Firmen oder direkt in Deutschland oder Österreich haben.

Das anschließende Besuchsprogramm der Akademieteilnehmer war dicht gedrängt und zeigte, dass die Siebenbürger Sachsen einen beachtlichen städtebaulichen Wohlstand in Rumänien geschaffen haben. Die ausführlich besichtigten Städte Hermannstadt und Kronstadt sind auch heute noch ein beachtliches Zeugnis dafür. Beeindrucken konnten aber auch die mächtigen Kirchenburgen in Mediasch und Birthälm oder die Altstadt von Schäßburg sowie das Dracula-Schloss in Törzburg. Aber auch die einladenden Plätze, wie z. B. der Große und der Kleine Ring in Hermannstadt, konnten die internationale Gruppe mit ihrem geschäftigen Treiben, den kulturellen Angeboten und den vielen Cafés und Restaurants begeistern.

Neben all den gut geplanten Themen waren auch die persönlichen Einblicke, die die Referenten in die Zeit der Jahre 1989/90 gegeben haben, hoch interessant. Zu erfahren, mit welchen Erschwernissen und Bedrängungen die Menschen während der Ceaușescu-Zeit leben mussten, war ernüchternd. Beeindruckend und sehr persönlich wurde dabei geschildert, wie die Bürger mit Lebensmittelrationierungen und der Bespitzelungen der Securitate umgingen oder wie letztlich die Revolution von statten ging, die dann die Abwanderungswelle der Deutschen ausgelöst hat.

Die Studentinnen und Studenten sowie ihre Dozentinnen und Dozenten fuhren nach dieser horizonterweiternden Exkursion mit vielen positiven Erfahrungen und bleibenden Eindrücken zurück in ihre Heimatstädte. Sie hatten Rumänien auf eine sehr sympathische Weise kennen gelernt und dabei gleichzeitig ihr Wissen über die rumänische Geschichte, Geografie, Politik sowie die deutsche Sprache erweitert.

Deshalb geht ein herzlicher Dank an alle beteiligten Mitglieder der Universität und alle Organisatoren der Sommerakademie. Das Fazit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer lautete schließlich auch einhellig: „Sehr gelungen – wir kommen gerne wieder!“

Holger VIERECK

Pädagogische Hochschule Ludwigsburg – Institut für Sozialwissenschaften

Foto:  Gruppenbild mit Teilnehmenden bei der Forellenzucht in Albota

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Gesellschaft.