Stimmen aus der Schauwerkstatt

Teile diesen Artikel

Ausgabe Nr. 2342
 >

Die Gesellen sind wieder in der Harteneckgasse in Hermannstadt

Für Gesellen/innen ist es, wie Reinhard May singt, ein „Glück, wenn es eine Scheune [gibt] als Herberge zur Nacht“. Mit der Gesellenherberge (Casa Calfelor) am Huetplatz Hermannstadt wurde ein Ort geschaffen, an dem sich die wandernden Handwerker treffen und ihr Wissen austauschen können. Auch in diesem Jahr gibt es, nunmehr zum siebten Mal, eine Schauwerkstatt in der Harteneckgasse/Str. Cetăţii in Hermannstadt, welche eine kulturelle Bereicherung für jeden Spaziergang ist.

Mit der Werkstatt, die am vergangenen Freitag im Beisein der Förderer und natürlich der ca. 30 Wandergesellinnen und Wandergesellen offiziell eröffnet wurde, ist noch bis Ende August ein Platz zum Kennenlernen geschaffen worden. Ein Kennenlernen sowohl der Gesellen/innen aus der Schweiz, Frankreich, Belgien und Deutschland als auch ihrer Berufungen als Tischler/in, Steinmetz/in etc.. Die Handwerker/innen sind dort werktags zwischen 10 und 17 Uhr, sowie am Wochenende von 10 bis 15 Uhr anzutreffen. Wie schon in den vergangenen Jahren lädt der Verein Casa Calfelor als Hauptorganisator jeden Donnerstagabend ab 20 Uhr dazu ein sich vor der Herberge zusammenzufinden und den Abend mit Filmen oder anderen Programmpunkten gemeinsam zu verbringen und miteinander ins Gespräch zu kommen. Auch die Schauwerkstatt selbst ist ein Ort des Dialogs.

„Traditionelles Arbeiten ohne Maschinen, Strom und Schrauben“, so beschreibt die junge Tischlerin Kirsten ihren Alltag in der Werkstatt. Sie ist aus Deutschland angereist, um „etwas an die Gesellschaft zurückzugeben“. Für die junge Handwerkerin ist der Einblick in Ihre Arbeit, welche Sie dem Besucher hier geben kann, eine Möglichkeit sich zu bedanken. Sie ist dankbar für die Unterstützung auf ihrer Reise, für die angebotenen Schlafplätze und Mitfahrgelegenheiten. 

François Labat, Compagnon aus der Bretagne, betont dass es bei dem Projekt in Hermannstadt um Freundschaft geht. Hier werden durch das miteinander Wandern, das gemeinsame Arbeiten in der Schauwerkstatt und das Zusammenwohnen in der Casa Calfelor enge Freundschaftsbande geknüpft.

Auch die Gesellin Kyrilla hat ein offenes Ohr.  Auf der Steinmauer vor dem alten Wehrturm sitzend erzählte sie von ihrem Lebensweg. Kyrilla entschied sich dazu Steinmetzin zu werden. Begonnen hatte dies mit einem Gespräch mit ihren Schwestern, welche ebenfalls Handwerksberufe ausüben. Sie fand ihren Ausbildungsplatz über die „Gelben Seiten“. Ihrer Meinung nach „hat ein altes Gebäude Charakter und prägt damit den Charakter der Stadt“. So will sie eben diesen Charakter der Dinge bewahren.

Ganz im Sinne der alten Wanderstradition wollte Kyrilla auf ihrer Reise ihr Wissen erweitern, neue Techniken und Methoden erlernen, um somit möglichst vielseitig zu sein. Vielseitig sind auch die Erlebnisse im Alltag einer Wandergesellin. So berichtete sie von Ihren Erfahrungen auf Wanderschaft. Auf dem Weg nach Rumänien beispielsweise wunderte sich der Gemeindevorsteher eines ungarischen Dorfs, kurz vor der rumänischen Grenze, über die zwei ungewöhnlichen Gestalten, die sich im Garten des Gemeindehauses ausruhten. Sichtlich belustigt  von dem unerwarteten Besuch, der ihn an die Hobbits aus „Der Herr der Ringe“ erinnerte,  bat er die beiden hinein ins Gemeindehaus, um sie auf ein ausgiebiges Frühstück mit Kaffee und ungarischen Spezialitäten, wozu auch ein guter Wein gehörte, einzuladen.

Bis Ende August kann man das traditionelle Handwerk in der Schauwerkstatt bestaunen und gleichermaßen den Stimmen der Gesellen/innen lauschen. Es lohnt sich.

Christina GRZESCHNIOK

 Foto: Die Gesellinnen Kirsten und Kyrilla, beide aus Deutschland, geben sich einen freundschaftlichen Handschlag. Dieser steht symbolisch für den Zusammenhalt der Wandergesellen und Wandergesellinnen.   

Foto: Ulrike BETGE

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Gesellschaft.