Ausgabe Nr. 2333
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Nachlese zum diesjährigen Internationalen Hermannstädter Jazzfestival
Wie alt ist denn nun das Hermannstädter Jazzfestival? Auf keinen Fall 43, wie das fälschlicherweise in der letzten Ausgabe der Hermannstädter Zeitung zu lesen war. Zählt man ab 1974, als erstmals das Landesfestival für Jazzmusik in Hermannstadt stattgefunden hat, war es in diesem Jahr wohl die 40. Auflage. Rechnet man erst 1977, als beim Hermannstädter Jazzfestival erstmals Jazzmusiker aus dem Ausland teilnahmen, war es „nur" die 37. Auflage.
Für Festivalsdirektor Konstantin H. Schmidt war es die 17. Auflage. Er hatte 1997 die Stiftung Pro Art Hermannstadt gegründet, die seither das Sibiu Jazz Festival als eingetragene Marke veranstaltet. Betrachtet man die Qualität des Festivals, für die handverlesene Musiker und lebendige Konzerte stehen, verwundert es einen nicht, wenn Schmidt sagt: „Am Tag nach dem Abschluss des Festivals beginnt für mich die Arbeit an der nächsten Auflage."
Die Hermannstädter Jazzfans können also auch schon mit dem Sparen beginnen, denn eine Eintrittskarte kostete pro Abend 80 Lei. Für das Geld aber erhielt man erstklassige Auftritte von Musikern aus aller Welt, die mit Freude am Improvisieren bei der Sache waren.
Nach den zwei Tagen Studentenwettbewerb am 13. und 14. Mai gab es am Mittwoch ein rumänisches Intermezzo mit dem Liviu Butoi Trio und dem Cristian Soleanu Quartett im Gong-Theater. Ebenda konzertierte am Donnerstag das Steve Houben Quartett aus Belgien und das Zsolt Bende Quartett aus Ungarn.
Mit dem Antonio Flinta Quartett aus Italien und dem New Afro Cuban Quartett des kubanischen Pianisten Omar Sosa ging es am Freitag in die Runde der Schwergewichtler der internationalen Jazzszene. Nach dem Auftritt von Sosa hieß es, nun könnte es kaum noch aufwärts gehen. Dem war aber nicht so. Das bewies der sympatische polnische Jazzsänger Grzegorz Karnas mit seinem Quintett am Samstag Abend. Karnas setzt seine Stimme wie ein Instrument ein und ist schon deshalb bewundernswert, weil er die phonetisch schwierige polnische Sprache singbar macht.
Als einziger Akkordeonist, der sich auf der Jazzbühne wie ein Fisch im Wasser bewegt, begeisterte Richard Galliano mit seinem New Tangaria Quartett das Publikum. Der in Nizza geborene Musiker hatte auch für einen vollen Saal gesorgt. Dieser Abend war schon im vorhinein ausverkauft gewesen.
Die Palette der Ausnahmepianisten wurde dann am Sonntag, beim letzten Abend vervollständigt durch Omri Mor (Israel) und Carlos Maza (Kuba). Omri Mor stellte mit dem Bassisten Chris Jennings und dem Schlagzeuger David Noam sein Andalou Jazz Projekt vor, eine Mischung aus andalusischen Rhythmen, sozusagen auf der Suche nach der Musik der sephardischen Juden im spanischen Raum. Wie der Klausenburger Moderator Liviu Mihaiu feststellte, ist Mor im gleichen Jahr geboren, in dem sein Lehrer, der 1944 in Russland geborene und 1986 nach Israel ausgewanderte Jazzpianist und Komponist Wjatscheslaw Ganelin beim Hermannstädter Jazzfestival aufgetreten ist. 1983 war Ganelin im Trio mit Wladimir Tschekassin (Saxophon) und Wladimir Tarassow (Schlagzeug) in Hermannstadt. 30 Jahre danach überzeugte sein Schüler Omri Mor die Hermannstädter Jazzfans mit seinem wunderbaren Stil und seinem atemberaubend klaren Rhythmuswechsel. Kein Wunder also, dass ihn Carlos Maza, der in Chile geborene kubanische Pianist zum Abschluss auf die Bühne holte. Maza hatte aber zunächst für seinen Familienauftritt mit seinen Töchtern Ana Maza (Cello, Gesang) und Camila Maza (Violine) sowie seiner Gattin Mirza Sierra (E-Bass) den israelischen Schlagzeuger David Noam „ausgeborgt", weil seinem Drummer Humberto Perdoma am Klausenburger Flughafen die Einreise verwehrt worden war, da dessen Pass abgelaufen war. Die neue Zusammensetzung erwies sich als ein musikalischer Hochgenuss.
Beatrice UNGAR
Foto 1: Der kubanische Pianist Omar Sosa gehörte zu den Highlights.
Foto 2: Virtuosen unter sich: Der in Chile geborene Pianist Carlos Maza griff zum Charango und überließ zum regelrecht krönenden Abschluss des Festivals das Klavier Omri Mor aus Israel.
Foto 3: Richard Galliano und Bassist Jean-Marc Jafet.
Fotos: Fred NUSS