„Ein ganz eigener Fokus“

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Ausgabe Nr. 2450
 

Vortrag über die Siebenbürger Sachsen und die Evangelische Kirche Österreichs

„Wenn Gott eine Kirche will, dann schafft er die Möglichkeiten dafür", zitierte Pfarrer Volker Petri, der Bundesobmann der Siebenbürger Sachsen in Österreich in seinem Vortrag am 18. September d. J., im Hans Bernd von Haeften-Tagungshaus der Evangelischen Akademie Siebenbürgen einen Pfarrerkollegen. Der Vortrag handelte von dem Verhältnis der Evangelischen Kirche in Österreich zu den dort lebenden Siebenbürger Sachsen. Ein ganz eigener Fokus, wie Petri selbst betonte, da sonst der Blick zumeist auf Deutschland läge.

„Ein besonderer Fachmann spricht heute zu uns", betonte Dechant Dietrich Galter, Vorstandsvorsitzender der Evangelischen Akademie Siebenbürgen, in Bezug auf den Referenten Pfarrer Volker Petri. Als Bundesobmann der Siebenbürger Sachsen in Österreich sprach er über „Not und Neuanfang", wie auch der Titel seines im letzten Jahr veröffentlichten Buches lautet.

Petri übernahm 1977 eine Gemeinde in Österreich, die vorwiegend aus Siebenbürger Sachsen bestand. Dass es solche Gemeinden in Österreich gibt, dafür liegen die Gründe in den Wirren der letzten Monate des Zweiten Weltkriegs. Petri erläuterte die Entwicklungen, die nach dem sogenannten Waffenwechsel Rumäniens, am 23. August 1944, als sich das Land vom Deutschen Reich abwendete, um an der Seite Russlands zu kämpfen, folgten. Eilends wurde eine Evakuierung Nordsiebenbürgens organisiert und ab dem 5. September ging es mit dem Ziel, in Österreich anzukommen, über 1.000 Kilometer zu Fuß und zu Pferd, in sichereres Gebiet.

Während die Wiener Regierung in den Nachkriegsjahren zunächst noch eine Abschiebung der „Volksdeutschen" in die Bundesrepublik Deutschland favorisierte, sahen sich Oberösterreich sowie andere Bundesländer und gerade die Evangelische Kirche in unterstützender Rolle. Sachsen und andere, als „Volksdeutsche" vertriebene Gruppen, erhielten den Status der „displaced persons" und den Vermerk der "ex-enemys", also den Status der Heimatvertriebenen aus ehemaligem Feindesland,  dies erschwerte u. a. den Erhalt einer Staatsbürgerschaft. Jedes halbe Jahr mussten Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigungen verlängert werden.

Pfarrer Volker Petri hat in seinem Leben inzwischen über 30 Jahre in Rumänien und über 30 Jahre in Österreich verbracht. Ein Prozess des Arrangierens und des voneinander Lernens, denn auch die protestantische Frömmigkeit, im deutlich mehrheitlich katholischen Österreich, war eine andere. Während bei den Sachsen das kulturelle, profilgebende Gemeinschaftselement des Protestantismus im Vordergrund stand (und steht), befanden sich die Mitglieder ihrer neuen Mutterkirche in ständiger Profilbewahrung gegenüber den Katholiken. Kenntnisse über Bibel, Kirche und Theologie spielten eine größere Rolle.

24 sächsische Pfarrer stellten in Österreich eine Art siebenbürgisches „Exil-Dekanat" zusammen. Bischof Gerhard May ging als Vertreter der Evangelischen Kirche in Österreich früh auf die Sachsen zu, sein Credo lautete: die Sachsen sind evangelisch, also gehören sie dazu. Realistisch zeigte er auf, dass eine Rückkehr nach Rumänien, durch den dort entstandenen Nationalkommunismus, illusorisch war. Er motivierte zu einer Integration in die Kirche und in das Land.

Bis dahin waren weitere Möglichkeiten des kollektiven Auswanderns geprüft worden, die Sachsen wollten als Gruppe zusammen bleiben. Luxemburg, sprachlich der Mundart am nächsten, sah sich nicht in der Lage, immerhin 35.000 Sachsen aufzunehmen; Argentinien verlangte dafür 200 Dollar pro Kopf. Man blieb in Österreich. Erst 1954 wurde es für die Siebenbürger Sachsen durch eine „Loyalitätserklärung" möglich, die österreichische Staatsbürgerschaft zu erhalten.

Die Sehnsucht nach Siebenbürgen blieb. Petri erzählte, wie bei einem Liederabend, im Gemeindehaus seiner Pfarrei in Österreich, seine Mit-Sachsen baten, doch etwas Ungarisches und dann etwas Rumänisches zu singen. Etwas, dass er sich in Siebenbürgen nicht vorstellen könnte, dort wurde immer Deutsch gesungen. Mit den Jahren entstanden weitere Gemeinden und Kirchen; Geldmittel wurden aufgetrieben. „Wenn Gott eine Kirche will, dann schafft er die Möglichkeiten dafür", zitierte Petri einen Pfarrkollegen.

Bereits im rumänischen Nationalkommunismus wurde es möglich, Grabüberführungen durchzuführen. Die Möglichkeiten wurden in Anspruch genommen, Ahnen aus Siebenbürgen auf Friedhöfe in den neuen Gemeinden in Österreich zu verlegen. Petri erinnert sich noch gut, wie das allgemeine Befinden damals unter den Sachsen war: „Unsere Toten sind jetzt hier, nun sind wir daheim."

2014 veröffentlichte Pfarrer Magister Volker Petri im Schiller-Verlag das Buch „Not und Neuanfang – Die Evangelische Kirche Österreichs und ihre Siebenbürger Sachsen". Im Rahmen seiner Tätigkeit als Bundesobmann der Siebenbürger Sachsen in Österreich ist das Buch auch Zeugnis seiner fundierten Archivarbeit; die Publikation enthält unter Anderem eine „Statistik der einstigen Heimatadressen und der österreichischen Wohnorte und Zugehörigkeit zu den [österreichischen] Pfarrgemeinden" mit über 3.000 Einträgen.

Manuel STÜBECKE

 

Pfarrer Mag. Volker Petri bei seinem Vortrag

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Kirche.