Heißer Schnaps für den „Genossen“

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Ausgabe Nr. 2398
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Am 20. September 1974 wurde die Transfogarascher Hochstraße eröffnet

 

Als greatest driving road in the world" (tollste Verkehrsstraße der Welt) bezeichnete ein Reporter der BBC-Sendung Top Gear" (Höchstgang) 2009 die Transfogarascher Hochstraße, die auf der Nord-Süd-Achse die Südkarpaten überquert. Gebaut wurde die Straße von 1970 bis 1974, am 20. September 1974, also vor genau 40 Jahren wurde sie feierlich eröffnet. Ursprünglich war sie als einspurige Forststraße geplant, aber der damalige Staatschef und Generalsekretär der Rumänischen Kommunistischen Partei forderte zwei Spuren, in der gleichen Bauzeit…

 

„Die Hochstrasse ist einzigartig in unserem Land. Nahezu die Hälfte der 90 Kilometer ihrer Gesamtlänge überqueren die Hochgebirgszonen des Fogarascher Gebirges, dessen abschüssige Hänge bis vor kurzem selbst für erfahrene Touristen schwer zugänglich waren. Die neue Strasse steigt bis zu 2040 Meter Höhe, durchbricht das Felsmassiv mit einem Tunnel und senkt sich danach zum Stausee Vidraru und bis zum Argeș-Staudamm. (…) Das beeindruckende Arbeitsvolumen, das beim Bau dieser Strasse zubewältigen war, ist aus folgenden bezeichnenden Zahlen ersichtlich: nahezu zwei Millionen Kubikmeter Felsen mussten bewegt, 1,6 Millionen Kubikmeter Gründungsarbeiten ausgeführt, 28 Brücken und Viadukte und 350 Stege gebaut werden." So heißt es in dem Bericht über die Eröffnung der Transfogarascher Hochstraße am 20. September 1974 in der damaligen Die Woche vom 27. September 1974.

Beim Bulea-See sprach der Diktator Ceaușescu vor einer regelrechten Volksversammlung und der Sekretär des Hermannstädter Kreisparteikomitees, Richard Winter, sagte in seiner Ansprache: „Als Ehrung jenes Mannes, der durch das Heldentum seiner Arbeit, durch den glühenden Patriotismus und den unbeugsamen revolutionären Geist nach wie vor die hohen kommunistischen Tugenden verkörpert, haben die Militär- und Zivilbauleute, lieber Genosse Nicolae Ceaușescu, verlangt, dass die Hochstrasse über das Fogarascher Gebirge Ihren Namen tragen soll. Diese neue Strasse, die durch die Gebirgsstöcke der Karpaten geschlagen wurde und die Jahrhunderte überdauern soll, ist gleichzeitig ein Symbol der Ideale der friedlichen Arbeit, des Wohlstands und des Glücks unserer sozialistischen Nation, der Begeisterung und Selbstlosigkeit, mit denen unser ganzes Volk unbeirrt die Politik der Partei durchführt."

Der damalige Minister für Forstwirtschaft und Baustoffe, Vasile Patilineț, setzte noch einen drauf indem er behauptete, die Hochstraße sei „zugleich eine Würdigung für Sie persönlich, verehrter Genosse Nicolae Ceaușescu".

Mit keinem Wort erwähnt wird in der genannten Ausgabe der Woche der Namen des Kronstädter Bauingenieurs Dumitru Ducaru, der als Planer von Anfang an dabei gewesen ist und in seinem 2013 erschienenen Buch „Fascinația trecerii munților" die Eröffnungsveranstaltung wie folgt darstellt: „Alle, die den Arbeitsorden I. Klasse und den Titel eines Helden der Sozialistischen Arbeit erhalten haben, werden zur Tribüne gerufen, General Stănescu gibt die letzten Anweisungen aus: wir erhalten das Diplom und den Orden, wir heften uns diesen selbst an die Brust, wir stellen uns dem Staatschef vor und, Achtung!, auf keinen Fall dürfen wir die Hand von Elena Ceaușescu küssen.

Vasile Patilineț und Ion Ioniță halten Reden. Da ich hinter dem Staatspräsidenten zu stehen kam, konnte ich Nicolae Ceaușescu zusehen, wie er seine Rede verlas. Sie war auf A5-Heftseiten mit großen Buchstaben geschrieben, die Worte waren mit verschiedenen Farben unterstrichen und der Text war mit Anmerkungen für die Beifallpausen durchsetzt. (…) Die Präsidentendelegation begibt sich zum feierlichen Durchschneiden der Schleife am Tunneleingang, aber auf Vorschlag von Ceaușescu, der sagt, im Gebirge wird gewöhnlich ein heißer Schnaps getrunken, kehrt die offizielle Kolonne zur Hütte, heute Paltinu, zurück, wohin  per Sprechanlage die Ausgezeichneten von der Tribüne namentlich eingeladen werden. Es wird heißer Schnaps gereicht, der 'Genosse' möchte noch einen trinken, aber Elena ist dagegen. So haben auch wir auf einen zweiten Schnaps verzichtet, schweren Herzens. Was hatten wir denn verbrochen, dass wir auf eine 'Repetition' einer Tasse mit heißem Schnaps verzichten mussten? Die Schleife wird durchgeschnitten und die Präsidentenkolonne fährt am Seeufer entlang zurück zum Tunnel und dann südlich hinunter bis zum Vidraru-See, und neben dem Staudamm macht sie Halt in der 'Vila cu Pești' (heute 'Valea cu pești'). Wir verweilen in der Hütte am Buleasee und von hier aus fahren wir zur Glăjerie-Hütte (die nach Plänen des Bautechnikers Michael Binder gebaut worden war) wo wir den Tag fortsetzen bei einem am Spieß gebratenen Hammel und einem guten Wein, den die Kollegen aus Râmnicu Vâlcea mitgebracht hatten."

Die Pioniere des Regiments nr. 1 aus Râmnicu Vâlcea waren nämlich die ersten auf der Baustelle, die im März 1970 ihre Tätigkeit aufgenommen hatte. Einer der Veteranen ist Tudor Dodu, heute Reserveoberst, der am 1. Juni d. J. seinen 80. Geburtstag gefeiert hat. Dodu hatte gemeinsam mit Kollegen von dem Regiment aus Karlsburg/Alba Iulia, die im Juni 1971 an der Nordseite zum Einsatz kamen, am 28. August d. J. zu einer Gedenkveranstaltung am Buleasee eingeladen.

Beatrice UNGAR

 

Foto 1: Blick auf die zahlreichen Serpentinen Richtung Bulea-Wasserfall im Jahr der Eröffnung.

 

Foto 2: Wie eine Eishöhle sah der Tunnel aus, bevor wasserdämmende Baumaßnahmen getroffen wurden.

 

Foto 2: Der Hermannstädter Kreisratsvorsitzende Ioan Cindrea (4. v. r.) und hohe Offiziere der Rumänischen Armee beim Gedenken zum 40. Jahrestag der Eröffnung der Transfogarascher Hochstraße. Reserveoberst Tudor Dodu (2. v. l.) hielt eine bewegende Ansprache.   

Foto: Kreisrat Hermannstadt

 

 

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Gesellschaft.