Ein mordlustiges Wrack

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Ausgabe Nr. 2470
 

Premiere mit Ayckbourn-Thriller „Falsche Schlange"

 

Eine blutverschmierte Axt liegt auf der unter dem Balkon im Festsaal der Astra-Bibliothek von Alin Gavrilă eingerichteten Bühne. Beim Gong-Schlag hebt die bis dahin reglos dasitzende Schauspielerin (Anca Cipariu) diese Axt auf und rammt sie in die Kulissenwand. Ein Zeichen, dass dieses Instrument im Verlauf des Stückes noch zum Einsatz kommen wird.

 

Eigentlich konnte man sich zurücklehnen und darauf warten, wann denn die Axt „gebraucht" wird und wenn es treffen wird. Doch der populärste britische Gegenwartsdramatiker Alan Ayckbourn lässt sein Publikum nicht so einfach davonkommen.  Das Stück „Falsche Schlange" ist ein weiterer Beweis dafür. Es enthält alle Ingredienzien eines Thrillers, die Repliken halten die Zuschauer in Atem. Und wenn man gerade meint, es kann doch Bösartiger gar nicht werden, setzt Ayckbourn noch einen drauf.

Für den Luxemburger Jungregisseur Rafael Kohn war es die erste Inszenierung an der deutschen Abteilung des Radu Stanca-Nationaltheaters in Hermannstadt, sein Landsmann Daniel Plier, Leiter dieser Abteilung, hatte ihn angesprochen und Erfolg gehabt. Kohn, der von sich behauptet, er schreibe eigentlich ständig – mehr als 8 Werke hat er schon veröffentlicht, darunter auch Hörspiele – betrachtet das Theater als einen „geschützten Raum". Im geschützten Raum kann man wohl fantasieren und parodieren, kann man hinzufügen.

Da sich Kohn offensichtlich über jeden Lacher aus dem Publikum gefreut hat, muss es sich um eine Parodie eines Krimis handeln, in dem fast alle Klischees vorkommen. In der Inszenierung nimmt Kohn diese auf die Schippe, lässt fast keine aus: Puppenhaus deutet auf sexuellen Missbrauch hin, Lichteffekte und Geräusche erinnern an Hitchcocks Thriller, Psychodrama und Geisterspuk kommen hinzu.

Das Publikum kann nahezu hautnah miterleben, wie innerhalb einer guten Stunde die sich selbst als „Wrack" bezeichnende Miriam (Johanna Adam) zwei Morde verübt und wie eine selbstbewusst auftretende Geschäftsfrau, ihre ältere Schwester Anabell (Emöke Boldizsár) zum Wrack schrumpfen kann.Miriam, die von ihrem Vater enterbt wurde, empfängt die Alleinerbin mit den Worten „Ich bin ein Wrack" und schafft es dann, mit Hilfe ihrer Geliebten (Anca Cipariu), sie in den Tod zu drängen.

Mehr soll nicht verraten werden, das Stück ist kurzweilig inszeniert und man kann auch etwas daraus lernen: Man sollte niemanden unterschätzen bzw. geringschätzen und vor allem sollte man sich selbst nicht überschätzen.           

Beatrice UNGAR

 

Ein Hauch Hitchcock: In der Regie des Luxemburger Jungregisseurs Rafael Kohn brachte die deutsche Abteilung des Radu Stanca-Nationaltheaters mit Falsche Schlange" von Alan Ayckbourn am Samstag im Festsaal der Astra-Bibliothek ihre erste Premiere des Jahres heraus. Unser Bild: Szenenfoto mit Emöke Boldizsár (stehend) und Johanna Adam.

Foto: Fred NUSS

 

 

 

Rafael Kohn (3. v. l.) und seine drei Engel", die Schauspielerinnen Anca Cipariu, Johanna Adam und Emöke Boldizsár (v. l. n. r.) zollen dem Bühnenbildner Alin Gavrilă Beifall.                                         Foto: Fred NUSS

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Bildung, Gesellschaft, Kultur, Theater.