Geheimtipp für Touristen?

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Ausgabe Nr. 2468
 

Zu Besuch in der Wasserburg in Fogarasch

 

„Die Burg, die niemals eingenommen wurde“ heißt es stolz in der Informationsbroschüre über die Wasserburg in Fogarasch. Und wirklich thront diese, über Jahrhunderte gewachsene Wehranlage wie ein unbezwingbares Bollwerk inmitten der Stadt Fogarasch, als würde sie noch heute jedem fremden Eindringling trotzen, der sich wagt, einen Blick hinter ihre Mauern zu werfen.

 Doch so feindlich ist dieses Gemäuer seinen Besuchern aus dem 21. Jahrhundert gegenüber gar nicht mehr eingestellt.

Im Gegenteil: Für ein sehr geringes Entgelt kann sich der interessierte Tourist heutzutage mühelos einige Stunden von der „Uneingenommenen" vereinnahmen lassen.

Denn im Inneren der Burg ist eine beeindruckende Sammlung von Kleinodien der letzten Jahrhunderte zu finden. Angefangen von Fundstücken aus der Bronzezeit über byzantinische Münzen und mittelalterliche Bücher und Waffen hin zu Hinterglasikonen, traditioneller Keramik und Möbeln des 18. und 19. Jahrhunderts hat die Dauerausstellung eine große Bandbreite an sehenswerten historischen Objekten zu bieten. Dabei überrascht das Museum seine Besucher schon ganz am Anfang mit seinem wohl modernsten ausgestellten Gegenstand: Das Original eines Picasso-Plakats von 1953 – mit so etwas kann nicht jedes Museum mithalten!

Doch die Ausmaße der festlichen Räume sind damit noch längst nicht ausgeschöpft. Neben der ständigen Sammlung ist daher in einem der Turmzimmer meist noch eine aktuelle Ausstellung zu finden.  Zurzeit kann hier das königliche Tafelgeschirr aus dem Nationalmuseum Peleș bewundert werden. Aber auch der neu renovierte Rittersaal und die Bibliothek in der zweiten Etage sind frei zugänglich.

Wenn auch der gute Zustand der Burg dem geschichtsinteressierten Besucher einen großen Einblick in fast alle Räumlichkeiten der Wehranlage gewährt, sind die vorhandenen Informationen im Vergleich zur Fülle des historischen Gehaltes der Ausstellungsobjekte und der Burg selbst verschwindend gering. Zwar versuchen die Schautafeln im Burghof in rumänischer, englischer, deutscher und ungarischer Sprache Aufschluss über die frühere Nutzung der Gebäudetrakte zu geben, doch hier können die deutschen Texte allerhöchstens als kleiner Humorpunkt während des Burgbesuches gelten. Denn vor lauter grammatischen Fehlern, fehlenden Verben, falscher Interpunktion und seltsamen Übersetzungen kann der deutsche Besucher oftmals den Sinn der Erklärungen nur erahnen. Was soll man schließlich davon halten, wenn der „Schwarze Turm” der Burg als „Haus Lady” (im Rumänischen „Casa Doamnei”) beschrieben wird?

Dieser Belustigung beraubt, muss der Tourist im Burginneren dann mit rumänischen und englischen Beschreibungen vorlieb nehmen, die sich meist aber auch nur auf wenige Sätze beschränken. Bei längeren Texten wurde auf die englische Übersetzung gleich ganz verzichtet. Möchte man sich dann nach dem Rundgang ein Buch über diesen geschichtsträchtigen Ort zulegen, um sich zuhause noch einmal besser über interessante Einzelheiten, wie beispielsweise die Nutzung des Gefängnisturms während des Kommunismus zu informieren, wird man ebenfalls enttäuscht: Ein solcher Band existiert nicht.

Waren es vor Jahrhunderten noch die massiven Mauerwerke, so ist es heute wahrscheinlich der fehlende Informationsfluss, der diese Burg vor ausländischen Anstürmen bewahrt. Zu sehen gibt es hier ja vieles, doch aus medialer Sicht ist das mittelalterliche Gemäuer noch nicht ganz im 21. Jahrhundert angekommen. Dabei beherbergt es genügend Köder, um mal einen großen touristischen Fang zu machen. So etwas kann man wohl heutzutage noch einen Geheimtipp für Touristen nennen.

Immerhin landete die Fogarascher Wasserburg im Top Ten der Burgen in Europa 2014 auf Platz 2, laut Huffington Post. Nach dem Schloss Neuschwanstein in Bayern. Damit hatte die Stadtverwaltung wohl nicht gerechnet, als sie nach der Wende die Baugenehmigung für eine Riesenkathedrale an der Hauptdurchfahrtstraße erteilte. Der Prunkbau verdeckt nämlich die Sicht auf die denkmalgeschützte Burg.

Jeremias LEIMCKE

 

Um die Wasserburg in Fogarasch zu sehen, muss man bloß hinter die orthodoxe Riesenkathedrale gucken.                                 

Foto: der Verfasser

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Tourismus.