„Eine zupackende, kraftvolle Persönlichkeit“

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Ausgabe Nr. 2447
 

Der Klavierlehrer, Pianist und Musikologe Peter Szaunig ist tot


Am 28. August 2015 verstarb nach kurzer und heftiger, aber tapfer ertragener Krankheit in Bamberg der bekannte aus Hermannstadt stammende Klavierlehrer, Pianist und Musikologe Peter Szaunig im Alter von 82 Jahren. Die Trauerfeier – gestaltet in beeindruckender Weise von der Gemeindepfarrerin Anette Simojoki – fand am 3. September in der Bamberger Erlöserkirche vor einer großen Trauergemeinde statt. Im Namen des Freundeskreises fand Jürgen Schuster bewegende Dankesworte. Christina Reckerth dankte im Namen der Kreisgruppe für Szaunigs stets beherzten Einsatz für siebenbürgische Belange und Franz Metz, der GDMSE-Vorsitzende (Gesellschaft für deutsche Musikkultur im Südöstlichen Europa) erinnerte an das langjährige, vielfältige Wirken des Verstobenen in diversen siebenbürgischen Arbeitskreisen und Musikverbänden. Sein langjähriges Engagement für die Durchführung des Hermannstädter Carl-Filtsch-Wettbewerbes, dessen Mitinitiator er war, hob er als Krönung seines Lebenswerkes hervor. Dagmar Zink, die literarische Partnerin des poetisch-musikalischen Künstlerdous Szaunig-Dusil und verlässliche Stütze seiner letzten Jahre beschloss die Trauerfeier mit bewegenden Worten und einem tief beeindruckenden Gedicht. Wir geben beides im Anschluss an die Abschiedsworte von Szaunigs langem Weggefährten, dem Heidelberger Musikprofessor Heinz Acker, wieder.


Peter Szaunig zum Abschied

Lieber Peter, lieber Tiger,

so hast Du mich immer genannt, wenn wir uns trafen und so habe ich dich auch genannt – Löwe, oder Tiger – sobald wir uns im Gespräch gegenüberstanden. Es war wohl eine respektvolle Anerkennung des Gegenübers als zupackende, kraftvolle Persönlichkeit.

Ja, zupackend bist Du dein Leben lang gewesen. Wie Vieles hast Du angepackt und auch immer bravourös zu Ende geführt. Nun hat ein anderer zugepackt, dessen gnadenlosen Pranken keiner sich entziehen kann. Und wie ein Löwe hast Du bis zum Schluss dein Revier – die Kunst – verteidigt. Noch im Juli hast Du -obwohl schon von der Krankheit schwer gezeichnet – den Carl Filtsch-Wettbewerb in Hermannstadt erfolgreich durchgeführt, womit sich für Dich auch in wunderbarer Weise ein Kreis geschlossen hat. Es war wohl Dein Lebenswerk, der Einsatz für dieses Siebenbürgische Wunderkind und seine Musik. In 20 Jahren unermüdlichen Engagements hast Du diesen Wettbewerb zu einem weltweit anerkannten Festival gemacht und den Namen dieses Wunderkindes, wie auch den Deiner Heimatstadt in die Welt hinaus getragen.

Dieses Großprojekt, mit dem Du dich von der Kunstbühne so beeindruckend verabschiedet hast, hat ja auch all das gebündelt, was Dir als Mensch und Künstler wichtig war: die pädagogisch erzieherische Arbeit mit jungen Menschen, das Fördern von Kreativität, das Bemühen um Wiederentdeckung verschollener Werte und der Einsatz um künstlerische Belange Deiner siebenbürgischen Heimat.

Diese Komplexität Deiner Persönlichkeit war Dir nicht unbedingt vorgezeichnet, als Du 1933 in Kronstadt das Licht der Welt erblicktest. Du hast sie Dir hart erarbeiten müssen, in stetem Ringen mit den eigenen Ansprüchen und den Gegebenheiten, auch Widrigkeiten von zwei Systemen, in denen Du gelebt hast. Als einer der Wenigen hier anwesenden, der Dich durch beide Lebensphasen stetig begleitet hat, sei es mir erlaubt, an einiges zu erinnern.

Ich sehe mich an der Hand meiner Mutter, einer Kindergärtnerin, ins Hermannstädter Puppentheater gehen. Die Inszenierungen und das Spiel deiner Mutter – sie war die Initiatorin und Seele dieser ersten deutschen Puppenbühne – das war nicht nur für den Knirps, der ich damals war, ein Erlebnis. Von ihr kam wohl der Hang für das Künstlerische der beiden Szaunig-Brüder. Jockel, dein Bruder hat es von der Puppenbühne der Mutter zur großen Theaterbühne von Hermannstadt geschafft und später als anerkannter Schauspieler mit dem „Berliner Tournee-Theater“ ganz Deutschland und halb Europa mit seiner Schauspielkunst begeistert. Du konntest dich brüderlich neidlos an seinen Erfolgen freuen, denn auch Du hattest ja – wenn auch auf schwierigen Umwegen über Sport und Ingenieurwesen – schließlich zu Deinem Traumberuf, ja der Berufung als Musiker gefunden.

Den Vater sehe ich mit dem stolz-gemessenen Schritt selbstbewussten Bürgertums durch Hermannstadt schreiten. Deine sportlich, gerade Haltung, wohl ein Erbteil des Vaters, hat Dich bis ins hohe Alter von über 80 Jahren ausgezeichnet. Damit meine ich nicht nur Dein bestechendes äußeres Erscheinungsbild, sonder vielmehr eine innere Haltung, die Dir moralische Festigkeit gegeben hat. Von keinem der Systeme hast Du dich verbiegen lassen, nicht von den Drangsalierungen der Kommunisten und nicht von den Lockungen des Westens.

Als ich als junger Musikabsolvent 1965 an das Hermannstadter Musikgymnasium kam, da habe ich in Dir einen äußerst fachkundigen, liebenswerten und hilfsbereiten Kollegen kennen gelernt. Schon damals warst Du bestrebt, nicht nur hervorragendes technisches Handwerk zu vermitteln, sondern auch allgemeine menschliche Werte, stets bemüht dabei die schöpferische Kreativität der jungen Musiker zu fördern. 

Noch sehe ich die beiden Hitzköpfe von damals im gemeinsamen kreativen Rausch: Du als Solist des schwierigen Liszt-Klavierkonzertes, ich als junger Dirigent der Hermannstädter Philharmonie. Vieles hat uns seither verbunden. Als Du kurz vor Eurer Ausreise Mioara Georgescu, deine Klavierkollegin zur Ehefrau nahmst, da habt ihr uns als Trauzeugen euer Vertrauen geschenkt. Auch danach sind wir in vertrauensvoller Verbundenheit verblieben. Kindersegen war Dir mit Mioara nicht vergönnt. 

Die schwierigen Anfangsjahre des Neubeginns im Westen habt ihr noch gemeinsam gemeistert, bis Eure Wege auseinander gingen. Oft hast Du meine große Familie, zwar nicht mit neidischen Augen, aber doch etwas wehmütig betrachtet. Du hast es aber verstanden, Dir in Deinen vielen Schülern und Zöglingen eine Ersatzfamilie zu schaffen und schließlich eine solche in Familie Zink auch hier in Bamberg gefunden. 

Dankbar hast Du die Geborgenheit, Zuneigung und zunehmende Hilfestellung dieses Familienkreises bis zum so bitteren Ende erleben dürfen. Mit Dagi Zink-Dusil hat Dich eine starke künstlerische Symbiose von Musik und Literatur verbunden und vielen werden Eure gemeinsamen, gediegenen Auftritte in lebhafter Erinnerung bleiben.

Dein weiteres Fortkommen in Lahr, dann in Bad Wörishofen und schließlich in Bamberg habe ich immer mit viel Interesse und großer Wertschätzung verfolgt: so Dein Wirken als erfolgreicher Klavierpädagoge, als konzertierender Pianist, Komponist und Musikrezensent, Deine musikologischen Forschungen und Deinen Einsatz für die künstlerischen Belange Deiner Heimat in diversen Arbeitsgruppen und Kunstverbänden. Aber ebenso warst auch Du in der Lage das Wirken anderer völlig selbst- und neidlos anzuerkennen. Für Dich standen immer die Musik und das Werk im Vordergrund. Das „Ich“ aber hast Du stets bescheiden zurückgestellt und anderer Meinungen und Ansichten vorbehaltlos gelten lassen, ganz im Sinne fernöstlicher Denkweisen, die kein „für“ oder „gegen“ kennen, sondern nur ein ganzheitliches Sein. So waren die Gespräche mit Dir immer äußerst anregend und befruchtend für beide Teile und meist voller neuer, unerwarteter Standpunkte deinerseits.

Vieles hat uns verbunden, manches auch unterschieden, aber nie getrennt. Ich bin im Geiste des siebenbürgisch-evangelischen Pfarrhauses aufgewachsen. Du hast dir eine eigene Glaubensphilosophie zurechtgelegt aus unterschiedlichsten Teilen der Weltreligionen- und Philosophien. Zunehmend war es der Zen-Buddhismus, der Dir mit seinen Forderungen nach Zurücknahme des eigenen Ich und Loslassen im Streben Halt und Kraft gegeben hat. Du hast aber dieses „wu-wei“ des Zen nicht als leeres Nichtstun begriffen, sondern als ganzheitliches Handeln in kreativer Gelassenheit. In dieser Haltung hast Du einen Vorläufer und Verbündeten in Rudolf Wagner-Régeny gefunden, jenen großen siebenbürgischen Komponisten, den Du mit gewissenhaften Recherchen und einer hervorragenden Platteneinspielung wieder aus der Nische des Vergessens hervorgeholt hast. Mit der Aufführung von Wagner-Régenys Klavierkonzert als Solist der Hermannstädter Philharmoniker 2013 hast Du dir einen Traum erfüllen können und dem einst hochgefeierten und dann in Vergessenheit geratenen Künstler eine weitere Reverenz erwiesen.

Lieber Peter, lieber Tiger,

Du hast den großen Wirbel um Deine Person nicht gemocht und es auch meist gemieden, der Mittelpunkt lärmend-großer Kreise zu sein. Nun hast Du uns doch alle still um dich versammelt. Auch wenn Thomas Moore das „Sein“ als „flüchtigen Schein“ betrachtet, Dein Sein hat bleibendes Hinterlassen, in der siebenbürgischen Musikwelt und mit Sicherheit in unseren Herzen und Erinnerungen. So nehmen wir heute dankend von Dir Abschied. Wir werden Dich als besonderes Geschenk im Herzen bewahren. 

Dein letzter Wunsch einer Luftbestattung entspricht der uneitlen buddhistischen Vorstellung der Auflösung des Ichs ins Wesenlose, im ewigen Kreisen des Goethe‘schen „stirb und werde“, an das Du geglaubt hast. An seinem Geburtstag bist Du in eine andere Dimension gewechselt und Dein ewig suchendes Streben hat sein Ziel gefunden. So ruhe denn in Frieden!

Im Namen vieler Kollegen, Weggefährten und Freunde,

Dein Tiger

Heinz ACKER

 

Abschiedsworte und Gedicht von Dagmar Dusil

Lieber Peter,

wir stehen heute hier auf dem Bahnhof des Lebens und begleiten Dich zu  deiner letzten Reise ins Land des Lichtes. Als die Zeit zur Unzeit wurde, als Du von der Endlichkeit der Unendlichkeit schon Kenntnis hattest,  bist Du aufgebrochen, doch der Zug hatte Verspätung. So habe ich mit Dir tagelang auf sein Eintreffen gewartet. Draußen bäumte sich der Sommer ein letztes Mal auf. Des Wartens müde lagst Du einfach da, wie in den Anfängen dieser Welt, in den Anfängen des Daseins. Die Neugierde auf das Kommende hat Dich bis zuletzt nicht verlassen. Du hast Dich oft gefragt, wie wohl der Schritt vom Bahnhof des Lebens in den Zug der anderen Dimension ausfallen wird? Als er  eintraf, ging alles sehr schnell. Er stoppte nur kurz. Deines Gepäckes hast du Dich schon vorher entledigt, es bestand aus Schmerz und Leid. 

 

In memoriam Peter

 

Du schwingst dich

auf  mit

Flügeln aus Asche

und stürzt aus

dieser  Zeit.

Sie kann dich 

nicht festhalten

im Flug

mit deinen 

Flügeln aus Asche.

Die Luft ist

dein Grab.

Die Sonnenstrahlen

sind dein Laken

das Kissen

flüssige Nacht

Der Wind eine

wärmende Decke

Der Regen 

Begleiter 

der Strecke.

Der Schnee macht

die Flügel 

weiß und schwer.

 

Du schwebst  mit

deinen Flügeln aus

Asche zum Meer.

 

Dagmar DUSIL


Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Kultur, Musik, Persönlichkeiten.