Auf Wanderschaft am Huetplatz

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Ausgabe Nr. 2441
 

Konzert und Lesung von ehemaligen Wandergesellen

 

„Alle Mann im Spinnermarsch zur Stadt hinaus. Kamerad, wir bringen dich jetzt raus.“ Ein Ohrwurm, der zum Mitsingen und Tanzen einlädt. Eine Superstimmung herrschte am Samstagabend im Hof der Brukenthalschule am Huetplatz, wo die Musiker von „Lads go buskin’“ aus dem Kreis Reutlingen in Deutschland ihr erstes Konzert in Rumänien und das erste Konzert vor Wandergesellen boten.

 Zwei der Bandmitglieder waren in ihrer Jugend nämlich selber auf der Walz, was die Aufregung der Musiker steigen ließ. Die Veranstaltung fand im Rahmen der Schauwerkstatt der Wandergesellen statt, die von der Deutschen Gesellschaft e.V. Berlin in Zusammenarbeit mit dem Verein „Casa Calfelor“ Hermannstadt organisiert und von der Allianz Kulturstiftung Berlin finanziert wurde. Am Sonntag folgte die Lesung von Julian Letsche, einem gewesenen Wandergesellen und Bandmitglied von „Lads go buskin’“, vor der Herberge statt.

Dr. Ingeborg Szöllösi von der Deutschen Gesellschaft Berlin, die das Wandergesellenprojekt schon seit 2007 unterstützt, und Stefan Walther (genannt Klimbim), der Vorsitzende des Vereins „Casa Calfelor“, begrüßten am Samstag die Zuschauer. Dann fing das Konzert an. Lieder über die Walz und über das Leben als Wandergeselle ertönten von der Bühne, auf der sechs Männer in fescher Handwerkerkluft das Publikum begeisterten. „Lads go buskin’“ heißt im Englischen soviel wie „Burschen gehen Straßenmusik machen“. Der Atmosphäre auf dem Huetplatz nach zu urteilen, schlugen sich die Burschen allerdings wie die Profis. Die Band, die 2004 gegründet wurde, besteht aus Jimmy Maas (Gitarre), Julian Letsche (Mandoline), Bernd Stotz (Akkordeon), Christof Hummel (Geige), Wilfried Lever (Bass) und Eckhard Bez (Schlagzeug). Für den Gesang waren alle zuständig. Es ertönten Lieder von dem Musikalbum „3 Jahreszeiten und 1 Tag“, das alte Gesellenlieder und –texte beinhaltet, sowie irische Volksmusik.

Zwischen den Liedern erfuhren die Zuschauer Wissenswertes über das Phänomen der Wanderschaft. Die Herkunft des Wortes „Schlitzohr“ zum Beispiel, käme daher, dass die auf der Waltz befindlichen Handwerker einen goldenen Ohrring mit dem Wappen ihres Handwerks trügen, der früher zum einen als Notgroschen gedient hätte, zum zweiten auch Gewähr für ein ordentliches Begräbnis habe sein können und sich schließlich auch dann als nützlich habe erweisen können, wenn ein Wandergeselle sich etwas hatte zuschulden kommen lassen. In diesem Fall hätten seine Kameraden ihm den Ohrring ausgerissen und ihn zum „Schlitzohr“ gemacht.

Das Publikum, das erst nur aus Wandergesellen und einigen Neugierigen bestand, wuchs im Laufe des Abends immer mehr, direkt proportional zur Stimmung. Viele Zuhörer fassten sich, von der Musik inspiriert, an die Hände und tanzten ausgelassen. Die Gesellen schenkten unterdessen Freibier an alle aus, was die gute Atmosphäre noch mehr anfeuerte. Übrigens wurde ein Fass Bier vom Deutschen Konsulat Hermannstadt und eines vom Verein „Casa Calfelor“ gespendet.

Drei ganze Stunden spielten sich die Musiker in die Herzen ihrer Zuschauer und endeten ihr Programm pünktlich um 23 Uhr. Das Feiern ging vor der Gesellenherberge bis tief in die Nacht weiter.

Am Sonntag war die Lesung mit dem Autor Julian Letsche programmiert. Unter den Zuschauern fand sich auch Judith Urban, deutsche Konsulin in Hermannstadt, ein. Das Publikum bekam keine langweilige Lesung zu hören. Textpassagen aus den beiden Romanen „Auf der Walz“ und „Mit Stock und Hut“ wechselten sich mit Musikstücken sowie interessanten Textbeiträgen ab. Denn die Bandmitglieder von „Lads go buskin’“ waren auch bei der Lesung dabei. U.a. kamen blutrünstigen Schilderungen des Landsknechts Wilfried oder die dramatische Lebensbeichte des vom Gesellen und Musiker zum Mönch mutierten Bruders Bernhard zu Gehör. Die Zuschauer hatten ihre Freude an der ungewöhnlichen Präsentation und verlangten eine Zugabe des unter Wandergesellen beliebten „Einheimischliedes“.

Die erfolgreichen beiden Veranstaltungen wurden vom Auswärtigen Amt und der Allianz Kulturstiftung finanziert. Am Wochenende vom 8. und 9. August werden die Wandergesellen aktiv an der Veranstaltung „Huet. Urban Summer Brunch“ teilnehmen. U.a. können die Besucher der Arbeit der Gesellen an der Skulptur-, Lehmverputzer-, Zimmerei- und Schmiedewerkstatt beiwohnen und selber Hand anlegen.   

Cynthia PINTER

Foto 1: Julian Letsche (2. v. l.) trat beim Konzert der Band „Lads go buskin" am Samstagabend vor der Brukenthalschule auf und las am Sonntagabend vor der Gesellenherberge. Unser Bild: Zu der 2004 gegründeten Band gehören auch (v. l. n. r.) Wilfried Lever (Bass), Jimmy Maas (Gitarre), Christof Hummel (Geige) und Eckhard Bez (Schlagzeug). Nicht zu sehen ist Bernd Stotz (Akkordeon).   

Foto 2: Eine besondere Lesung mit Julian Letsche fand vor der Gesellenherberge am Huetplatz statt.                                          

 

Fotos: Cynthia PINTER

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Gesellschaft.